Das Meer in deinen Augen
eingewickelt war, roch nach ihrem und Lillys Parfum, das sie gestern getragen hatten. Im Bett war ihre Freundin nicht mehr. Trotzdem wusste sie noch, dass sie neben ihr eingeschlafen war.
»Hab dir ’nen Kaffee gekocht.« Lilly kam ins Zimmer und stellte den Becher auf dem Nachttisch ab. Emma rollte sich in der Decke herum und beobachtete Lilly, die am offenen Fenster stand. Sie trug nur ein altes, viel zu großes T-Shirt. Es flatterte im Wind hin und her. In einer Hand hielt sie ihren Becher, in der anderen eine Kippe. »Und? Gut geschlafen?«
Sie schnippte die Asche aus dem Fenster. Emma nickte nur. Neben dem Bett fand sie einen Pullover von Lilly und zog ihn über. »Hast du noch eine?«
Ihre Freundin schaute etwas verdutzt, als glaubte sie, dass der gestrige Abend nur eine Ausnahme gewesen sei. Dann hielt sie ihr die offene Schachtel hin. »Klar.«
Nachdem Emma den ersten, vorsichtigen Zug genommen hatte, spürte sie Lillys Blick. Sie legte vorsichtig die Hand auf Emmas Scheitel und strich an ihrem Haar herunter, bis sie an ihrer Schulter angelangt war. »Du hast noch mich. Vergiss das nicht.«
11
Tock-tock , machte der Tennisball, wenn er von der Wand auf den Boden prallte und wieder in Benjamins Hand landete. Er zählte nicht mehr mit, wie oft es ihm gelang, ihn wieder zu fangen. Sein Kopf wurde durch das stete Pochen langsam weich und fühlte sich an, als schwimme er in einer trägen Flüssigkeit, die durch das Aufspringen des Balls nur kurz in Bewegung gesetzt wurde. Erst als das Handy auf dem Tisch neben ihm brummte, griff er das erste Mal daneben. Eine Weile starrte er das Gerät nur an, wie es einen kühlen Schimmer in das Dunkel warf. Tock-Tock , pochte es derweil weiter, bis das Geräusch verstummte. Der Anrufer unterdrückte seine Nummer. Erst kurz bevor die Mailbox ansprang, nahm Benjamin ab. Er sagte kein Wort, sondern hielt den Hörer einfach ans Ohr. Es war merkwürdig still, seit der Ball stumm war.
»Hi, hier ist Finn«. Als er die Stimme hörte, merkte er, wie sie beide nur auf diesen Moment gewartet hatten. Sonst hatte Finn sich nie mit Namen gemeldet – er hatte meistens eine alberne Begrüßung gewählt oder auch einfach sofort losgequatscht. »Hi.« Es blieb für ein paar Sekunden still. Nur der Atem war zu hören. »Ich dachte, ich melde mich mal wieder«, fing Finn an. »Das … ist gut. Freut mich wirklich.« Benjamin fiel es schwer, überzeugend zu klingen. »Ich dachte, wir machen mal wieder was. Ich meine, das Leben muss ja irgendwie weitergehen, oder?«
»Klar, wäre ja verrückt, wenn’s nicht so wär.«
Benjamin bemühte sich, locker zu sein, was ihm gründlich misslang. Er stand auf und ging zum Fenster, während er das Handy am Ohr behielt. Im Dunkeln wäre er beinahe über den Tennisball gestolpert. Strauchelnd tastete er die Wand nach dem Schalter ab, der die Rollläden bediente.
»Ich wollte wieder Sport machen, bin total raus seit …« Finn brach den Satz ab. »Glaube, das würde uns beiden ganz guttun.«
»Woran hast du gedacht?« Inzwischen hatte das Tageslicht den Raum erhellt und blendete seine Augen, die sich erst wieder an die Sonne gewöhnen mussten.
»Einfach pumpen gehen, so wie früher.« Benjamin hatte seit Wochen kein Golf mehr gespielt. Im Fitnessstudio war er immer noch angemeldet, auch wenn er kaum hingegangen war. Finn hatte ihn vor zwei Jahren überredet. Diesmal schaffte er es auch.
»Gut, ich bin dabei.«
»Klasse, Mann. Ich dachte, wir gehen ins Pumpwerk .«
»Wie kommst du darauf?« Das Studio kannte Benjamin nicht.
»Keine Ahnung, die haben ganz neu eröffnet. Ich hab nur das Beste gehört.«
»Na gut«, ließ er sich erneut überreden.
»Ich hol dich ab.«
»Klasse, bis dann, Benny.« Finn legte auf.
Wieder war es still. Benjamin ließ den Blick durchs Zimmer schweifen, um festzustellen, dass es im Licht nicht weniger trist aussah als bei Dunkelheit. Ein Staubfilm hatte sich auf den Regalen niedergelassen. Er würde morgen wieder die Putzfrau Ordnung schaffen lassen. Auf dem Weg zur Tür entschied er sich anders. Mit der Kleidung fing er an. Das war einfach. Er bildete ein großes Knäuel und trug es runter in den Haushaltsraum, wo er wieder zögerte, bevor er es auf den Boden warf. Stattdessen steckte er alles in die Trommel der Maschine und begutachtete die Knöpfe. Er hatte keinen blassen Schimmer, wie das Gerät zu bedienen war. Seine Mutter konnte er nicht fragen, solange sie noch auf Ibiza war. Ihm war auch nicht daran
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