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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
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und zugehaltener Nase lag er unter Wasser und kaute. Dumpf hörte er die Geräusche von außen durchs Wasser an seine Ohren dringen. Christian lief in der Küche auf und ab. Wahrscheinlich räumte er auf oder putzte. Über Wasser nahm man diese Geräusche gar nicht mehr richtig wahr, weil sie zu normal waren. Aber unter Wasser bekam alles einen anderen Klang. Da gab es nichts mehr anderes, auf das er sich konzentrieren konnte, nur das Gefühl des warmen Wassers, das ihn umgab und die ungewohnten Geräusche, die wie gedämpfte Schläge klangen.
    Als er wieder auftauchte, schnappte er nach Luft. Auch so eine Sache, die er vollkommen unwirklich fand. Wieso konnte man nicht einfach bestimmen, dass man nicht mehr atmete? Wenn man las, dass jemand ins Wasser ging - wie diese eine Schriftstellerin damals in England - stellte man sich das immer so ruhig und besonnen vor. Aber am Ende kämpfte der Körper doch nach Sauerstoff.
    Merlin wischte sich das Wasser aus dem Gesicht. Wie immer konnte er sich vor komischen Gedanken kaum retten. Dabei gab es genug andere Dinge über die er besser nachgrübeln sollte.
    »Merlin?«, rief Christian. »Du lebst aber noch, oder?«
    »Ja«, bestätigte Merlin und grinste. Christian wäre sicher eine wunderbare Mutter, dachte er. Dann seifte er sich endlich ein. Als er das Wasser schließlich abließ, war es bereits kalt. Um so besser fühlte sich der heiße Wasserstrahl an, den er sich über den Kopf prasseln ließ. Plötzlich dachte er daran, dass er jetzt gern mit David gemeinsam unter der Dusche stehen würde. Was David jetzt in diesem Moment wohl machte? Dunkel erinnerte er sich, dass seine Mutter gesagt hatte, dass er David blöde hatte stehen lassen und sie mit ihm dafür zum Sport gehen wollte. Das war typisch für seine Mutter. Immer sah sie die Fehler, die er machte, und versuchte sie wieder geradezurücken. Er grinste. Eigentlich hätte er damit rechnen müssen, dass seine Mutter sich sofort mit David verbündete. Sicherlich sah sie in ihm schon so was wie einen Schwiegersohn. Fakt aber war, dass sie sich wieder mal genau das ausgesucht hatte, wovon sie sich am meisten versprach. Jetzt hatte nicht nur sie einen potentiellen Begleiter für den Sportclub, sondern auch er. Und wenn er selbst letztlich nicht mit seiner Mutter gehen würde, so hatte sie doch dafür gesorgt, dass David und er etwas gemeinsam unternehmen konnten. Er stieg aus der Wanne und schnappte sich irgendein Handtuch, um sich abzutrocknen. Fast gleichzeitig klopfte es an der Tür.
    »Merlin?«, fragte Christian und seine Stimme klang irgendwie so, als müsste er sich für etwas entschuldigen.
    »Was hast du denn schon wieder?«, fragte Merlin und lachte.
    Vorsichtig ging die Tür auf und Christian streckte den Kopf herein. »Tut mir leid«, sagte er und verzog das Gesicht. »Ich hab vergessen, dir ein frisches Handtuch hinzuhängen.«
    »Oh«, machte Merlin. »Ich hab mir einfach eins genommen, ist das schlimm?«
    »Das war meins«, sagte Christian. »Sorry.«
    »Ich hab damit kein Problem, dann musst du dir jetzt ein anderes nehmen.« Merlin zitterte. »Kannst du jetzt die Tür wieder zumachen? Es ist kalt.«
    »Was?«, rief Christian überrascht. »Wir haben Hochsommer!«
    »Ist mir scheißegal«, sagte Merlin. »Mir ist kalt.«
    Christian verschwand wieder und Merlin trocknete sich weiter ab. Plötzlich fragte er sich, was eigentlich damals dagegen gesprochen hatte, mit ihm etwas anzufangen. Christian war nett, sein Verhalten ließ meistens nicht darauf schließen, dass er schwul war, er sah nicht schlecht aus und er war ein paar Jahre älter als Merlin. Alles Vorzüge, die man nicht so ohne weiteres von der Hand weisen konnte. Vor allem, wenn man es mal von der praktischen Seite sehen wollte, hatte der Altersunterschied seine Vorteile. Christian hatte eine Wohnung, ein Auto und verdiente seine eigene Kohle. Natürlich war das nicht das Maß aller Dinge. Doch es hätte sicherlich einiges vereinfacht. Wenn er an David dachte, waren das eindeutige Pluspunkte. David war genauso alt wie er und hatte dementsprechend weder einen Führerschein noch eigenes Geld. Von einer eigenen Wohnung gar nicht zu reden. Dazu kamen dann noch die Probleme, die seine Eltern machten. Merlin empfand dieses Gedankenspiel mehr als unfair gegenüber David, aber er konnte sich nicht dagegen wehren. Wenn er damals mit Christian zusammengekommen wäre, wäre es über kurz oder lang eine logische Konsequenz gewesen, zu ihm zu ziehen. Dann

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