Das Meer in seinen Augen (German Edition)
bereit, eine Affäre zu Paolo hinzunehmen. Wieso sagte er sowas? Ihm wurde schlecht.
»Nein«, sagte Merlin. »Ich bin derjenige, der damit nicht klarkommt.«
Sie schwiegen eine lange Zeit. Immer wieder ging David dieselben Gedanken durch. Warum hatte er das gerade gesagt? Merlin hatte ihn mit Paolo hintergangen! Und er entschuldigte ihn auch noch. Das war doch absolut arm. Aber der Gedanke, vielleicht am Ende wieder allein dazustehen, versetzte ihn schon fast in Panik.
»Es - ist so - ätzend«, stammelte Merlin schließlich. »Warum komme ich nicht einfach dagegen an?« Er fing an zu weinen und David legte seinen Arm um ihn. Das alles kam ihm so furchtbar verquer vor. Er tröstete denjenigen, der ihn betrogen hatte. Wer aber tröstete ihn? Plötzlich war die Wut wieder da. Er fühlte sich regelrecht hin- und hergestoßen von seinen widerstrebenden Gefühlen. Auf der einen Seite schaffte er es nicht, sich von Merlin loszumachen, ihn allein hier zurückzulassen, wie es wohl jeder andere gemacht hätte. Er schaffte es nicht, weil ihm die Nähe zu wichtig war und der Gedanke zu weh tat, ihn nicht mehr neben sich zu haben. Auf der anderen Seite war er genau über diese Schwäche sauer. Warum konnte er nicht einfach mal ein wenig härter sein? Würde er denn ewig das Weichei bleiben? Er nahm seinen Arm zurück und drehte sich wieder auf den Rücken. Vielleicht sollte er einfach hinuntergehen und diesen Paolo zur Rede stellen. Das würde wahrscheinlich ein richtiger Mann machen. Er würde ihm sagen, dass er seine schmutzigen Finger bei sich behalten sollte und ... Ja, und was dann? Paolo würde sicher schallend lachen und am Ende wüsste Selma dann auch Bescheid. David hielt den Gedanken fest: Selma. War sie vielleicht der Schlüssel? Aber so gut kannte er sie noch nicht, dass er wirklich einschätzen konnte, wie sie reagieren würde. Das wäre definitiv zu gefährlich. Außerdem bestand natürlich immer der Nachteil, dass Merlin ihm einen solchen Schritt wahrscheinlich nicht verzeihen würde.
»Worüber denkst du nach?«, fragte Merlin ängstlich.
David fühlte sich ertappt. Er dachte gerade tatsächlich darüber nach, hinter dem Rücken seines Freundes Steine ins Rollen zu bringen, deren Wirkung er nicht abzusehen vermochte.
»Ich - denke darüber nach, wie es - mit uns weitergeht«, sagte er. Das war nicht mal gelogen. Trotzdem fühlte er sich wie ein Verräter.
»Und?«
»Ich will mit dir zusammen bleiben«, sagte er matt.
Merlin nickte kaum merklich. »Ich auch mit dir«, flüsterte er. »Aber so kann es nicht weitergehen.«
David dachte darüber nach, wie schön es wäre, wenn er Merlin einfach mit zu sich nehmen könnte. Sie könnten zusammen in seinem Zimmer wohnen. Dann wäre die Gefahr Paolo zumindest einigermaßen gebannt. Aber das war ein aberwitziger Wunschgedanke. Nicht bei seinen Eltern.
»Wir brauchen eine eigene Wohnung«, stellte David plötzlich fest und war überrascht, dass er diesen Gedanken tatsächlich laut aussprach.
Merlin seufzte. »Wenn das nur so einfach ging.«
Da kam David plötzlich die Idee. Warum musste denn Merlin zu ihm? Warum konnte er nicht zu Merlin ziehen? Er räusperte sich.
»Was hältst du denn davon, wenn ich einfach - die meiste Zeit hier bin?«, fragte er vorsichtig. »Ich meine, deine Mutter unterstützt uns doch und ...«
»Paolo?«, fragte Merlin dazwischen.
David spürte, dass er langsam wieder sauer wurde. Warum hatte er gerade das Gefühl, dass Merlin überhaupt nicht an einer Lösung interessiert war? Wieso versuchte er nicht wenigstens, diesem Vorschlag etwas abzugewinnen? Vielleicht hatte Paolo ja am Ende gar nichts dagegen, dachte David missgelaunt. Aber er wusste, dass das nicht der Fall sein würde. Trotzdem ärgerte er sich darüber, dass Merlin diese Möglichkeit einfach so vom Tisch fegte.
»Meinst du nicht, dass wir es einfach mal probieren sollten?«, fragte er. Seine Stimme verriet die Anspannung unter der er stand.
»Und was sagen deine Eltern dazu?«, fragte Merlin.
»Was sollen die dazu sagen?« David wurde patzig. »Die freuen sich natürlich nen Ast ab, dass sie mich los sind.«
Merlin sah ihn verwirrt an. »Was ist los?«
»Verdammt, meinen Eltern sollte es lieber sein, dass ich einen Freund habe, der nur mit mir zusammen ist, als ...« Er brach ab. »Ach, vergiss es.«
Merlin schwieg betroffen. Nach endlosen Minuten sagte er leise: »Vielleicht ist es doch besser, wir versuchen die ganze Sache vernünftig zu beenden.«
David
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