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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
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er los. Seine Mutter. Warum dachte er immer erst zuletzt an sie? Die Feststellung, dass er viel mehr um David besorgt war, erschreckte ihn. War seine Mutter nicht die Einzige, die wirklich betrogen wurde? Merlins Schritte wurden unbewusst länger. Plötzlich packte ihn die Furcht, dass sich Linda vielleicht genau solche Gedanken machte. Sie würde ganz sicher sogar über kurz oder lang zu dem Schluss kommen, dass sie weder auf seiner noch auf Davids Seite stand, sondern allein auf Selmas Seite. Frauen mussten zusammenhalten. Das sagte sie schließlich oft genug. Merlin blieb abrupt stehen. Hatte er Linda deshalb von seiner Affäre mit Paolo erzählt? Theoretisch gab es jetzt kein Zurück mehr. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis Linda auf die Idee kam, seine Mutter anzurufen und ihr von dem Betrug zu erzählen. Das Letzte, was er sich in seiner Situation noch wünschen konnte, war, dass seine Mutter von irgendwem und nicht von ihm selbst von seiner kleinen Affäre erfuhr. Nein, das wollte - das musste er ihr schon selbst gestehen. Am Ende sähe es womöglich noch so aus, als hätte er es ihr überhaupt nie sagen wollen.
    Merlin befand sich schon hinter der Schule, als er aus seinen Gedanken auftauchte. Quer über die Wiese sah er ihre Bank in der Sonne stehen. Er verdrängte die Sehnsucht, seinen Kopf auf Davids warmen Schoß zu legen und sein Haar streicheln zu lassen. Irgendwie erschien das so unpassend, als erwartete er von seiner Mutter, dass sie ihm nach seiner Beichte noch einen Kuchen backte. Und wieder hatte er zuerst an David gedacht!
    Er lief los. Plötzlich hatte er das Gefühl, zu spät zu kommen. Was war, wenn Linda schon längst angerufen hatte? Das war natürlich Quatsch und das wusste er auch, aber dennoch konnte er nicht aufhören zu laufen. Immer schneller rannte er über den schmalen Weg auf die Bank zu. In seinem Kopf hatte er nur noch den einen Gedanken: Er musste seiner Mutter endlich die Wahrheit sagen. Viel zu lange hatte er es schon hinausgezögert.
    Erst als er an der Haustür ankam, stoppte Merlin seinen Lauf. Hastig kramte er seinen Schlüssel hervor und schloss die Tür auf.
    »Ma?«, rief er sofort. Seine Stimme klang irgendwie fremd. Als er die Tür hinter sich wieder ins Schloss drückte, wurde ihm bewusst, dass es genau diese Stimme war, die gleich seiner Mutter erzählen würde ...
    »Ma?«, rief er schnell noch mal. Er wollte diesen Gedankengang erst gar nicht bis zu seinem Ende verfolgen. Selbstverständlich wusste er, was ihm nun bevorstand. Das spürte er an dem wilden Pochen in der Brust. Sein Magen rumorte auch. Aber er würde sich von solchen Erscheinungen keinesfalls aus dem Konzept bringen lassen. Jetzt ging es einzig darum, schnell genug zu sein, damit er es sich nicht anders überlegen konnte. Das war der Trick. Einfach nicht darüber nachdenken und losschießen, bevor alles wieder aufgeschoben werden konnte.
    »Ma!« Jetzt schrie er fast. Das Einzige, was ihn noch an einem Geständnis hindern konnte, war die Möglichkeit, dass seine Mutter erst gar nicht zu Hause war. Aber es war Mittwoch, sie musste da sein. Merlin ließ seine Tasche fallen und stürmte die Treppe hinauf in den ersten Stock.
    »Ma?« Er sah sich kurz um. Alle Türen standen offen. War sie tatsächlich nicht da? Hastig stürzte er auf das Schlafzimmer seiner Mutter zu und blieb augenblicklich stehen.
    »Ma?«, fragte er noch mal leise.
    Selma lag auf dem Bett und starrte die Decke an. Das linke Auge war blutunterlaufen und geschwollen, das rechte lediglich rot und verheult. Merlin schluckte.
    »Ma?« Vorsichtig trat er ins Zimmer. Eine furchtbare Vorstellung setzte sich in seinem Kopf fest: Seine Mutter hatte sich irgendwie am Auge gestoßen und war nun auf dem Bett an einem Gerinsel oder was auch immer gestorben. Sein Atem beschleunigte sich.
    »Wie oft willst du jetzt noch ›Ma‹ sagen?«, fragte Selma plötzlich tonlos.
    Merlin zuckte zusammen. Sein Herz setzte für einen Moment schmerzhaft aus. Sie lebte! Seine Knie wurden vor Erleichterung ein wenig weich. Gleichzeitig kam wie aus dem Nichts der Gedanke, dass der Tod seiner Mutter ihm das Geständnis erspart hätte. Diese Vorstellung wirkte wie ein Schlag in die Magengrube. Seine Knie gaben wirklich nach und er ließ sich mehr schlecht als recht gerade noch auf die Bettkante sinken.
    »Wie war die Schule?«, fragte Selma monoton.
    »Geht so«, antwortete Merlin. Resigniert stellte er fest, dass ihn die unerwartete Situation völlig aus der

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