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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
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Bahn geworfen hatte. Vor wenigen Minuten noch wollte er seiner Mutter von sich und Paolo erzählen. Aber jetzt war die Luft raus. Trotzdem machten er den Mund auf, um vielleicht irgendwie anzufangen. Doch wie er es erwartet hatte, blieb er stumm. Das Rumoren seines Magens hatte bereits aufgehört, als er seine Mutter hier hatte liegen sehen. Jetzt beruhigte sich auch langsam sein Herzschlag wieder. Er dachte daran, dass er noch einen Versuch starten könnte. Aber viel Hoffnung hatte er nicht.
    »Willst du mir was sagen?«, fragte Selma.
    Merlin räusperte sich. »Was ist mit deinem Auge?«
    »Deshalb hast du aber sicher nicht wie ein Verrückter nach mir gerufen, oder?«
    Er schluckte. Es dauerte eine unangenehme Weile, bis seine Mutter die Stille wieder brach.
    »Paolo«, sagte sie nur.
    Merlin wurde augenblicklich heiß. Sie wusste also doch Bescheid, durchfuhr es ihn.
    »Er hat mich geschlagen.« Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern.
    »Ah«, machte Merlin nur und versuchte sich wieder zu entspannen. Die Hitze des Schrecks blieb aber noch auf seinem Gesicht und ließ ihn sich unwohl fühlen.
    »Was für eine Reaktion!«, spöttelte Selma.
    »Ich - entschuldige«, sagte Merlin schnell. Es drängte ihn, noch etwas anzufügen, etwas zu fragen. Doch jetzt kam es ihm komisch vor. Er hatte seinen Einsatz verpasst, um noch glaubhaft Interesse rüberbringen zu können. Wenn er ehrlich war, wunderte es ihn nicht, dass Paolo seine Mutter geschlagen hatte. Merlin dachte an die letzten Male, als er sich gegen Paolo behaupten wollte. Er kannte das Gefühl, nur knapp an einer Tracht Prügel vorbeigeschrammt zu sein. Demnach stellte die Herkunft des blauen Auges keine sonderliche Überraschung dar. Außer natürlich, dass es Merlin sauer machte. Paolo war ein solches Arschloch. Allerdings ging dieses Gefühl ein wenig in den zahlreichen anderen Gefühlen unter, die gerade in ihm tobten.
    »Ich will wegziehen«, sagte Selma plötzlich.

    102

    David hatte ein flaues Gefühl im Magen, als er vor seiner Haustür stand. Wollte er jetzt wirklich nach Hause? Er zögerte. Seine Lippen brannten noch immer von Paolos kratzigen Küssen. Irgendwie konnte er es kaum fassen, was vor nicht mal einer Stunde geschehen war. Er hatte sich von Selmas Freund begrapschen und küssen lassen! Und das Schlimmste: Es hatte sich keine Sekunde falsch angefühlt. Ganz im Gegenteil.
    Bei dem Gedanken wurde David schlecht. Schnell wandte er sich ab und lief auf die Straße zurück zu dem schattigen Weg, der ihn hinunter zur Wiese führte. Einen Moment stand er unschlüssig dort unten und betrachtete das leuchtende Grün der sonnenbeschienenen Fläche. Die Wolken hatten sich über den Tag verzogen. David dachte darüber nach, dass Sonnenschein absolut nicht zu seinen momentanen Gefühlen passte. Er fühlte sich gerade viel mehr nach einem düsteren Tag, so wie er heute morgen begonnen hatte. Doch das Wetter hielt sich komischerweise nicht an die Gefühlsregungen einzelner Leute. Der Gedanke ließ ihn nicht los. Wie konnte es ausgerechnet jetzt schön werden, da er seinen Freund nicht nur verraten sondern auch noch betrogen hatte?
    Er schüttelte den Kopf und ging zur Bank. Angespannt ließ er sich nieder. Immer wieder tauchte die Erinnerung an Paolo auf, wie er sich vor ihn stellte und dann ... David konnte sich kaum über seine Gefühle klar werden. Einerseits hatte er eine überwältigende Ablehnung verspürt. Im ersten Moment hatte er nichts anderes gewollt, als diesen Kerl von sich wegzustoßen. Irgendetwas hatte ihn aber zurückgehalten. Fast war es, als habe ihn eine fremde, nicht fassbare Macht unterdrückt.
    Er schloss die Augen und versuchte sich ganz genau an die Situation zu erinnern. Augenblicklich verspürte er wieder das Unbehagen. Aber auch die Erregung kam wieder zurück. Es war ein absolut merkwürdiges Gefühl von Unterdrückung und Lust gewesen. Er hatte sich nicht wehren können und war im Grunde gezwungen worden, etwas zu ertragen, dass ihm sogar gefiel. Ja, der Kuss war trotz allem grandios gewesen. Paolos Hände waren weich und geschmeidig über seine Haut geglitten und hatten ein Kribbeln hinterlassen, das er auch jetzt noch spüren konnte.
    David schüttelte sich. Erstaunt bemerkte er, dass er eine Gänsehaut hatte. In diesem Augenblick verstand er, wie es Merlin gehen musste. Er schluckte, als er feststellte, dass er selbst keinen Deut besser war. Wieder stellte sich die Übelkeit ein. Keine halbe Stunde bevor er Selma ebenfalls

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