Das Meer in seinen Augen (German Edition)
drückten schließlich Erleichterung aus, als sie das sahen, was sie gehofft hatten: David wusste Bescheid, sie hatte nichts kaputt gemacht.
»Ja, ich weiß es«, sagte David.
»Ich wusste gestern nicht, was ich tun sollte«, stammelte Linda plötzlich. »Ich meine, da kommt er auf einmal so daher und sagt mir, dass er neben dir noch einen anderen hat. Er weiß doch, wie ich zu solchen Dingen stehe! Ich habe ihm erst mal kein Wort geglaubt, weil ich nicht glauben konnte, dass er auch so ein - Schwein ist.« Ihre Hände griffen nach seinen. »Und dann sagt er mir am Ende, dass er nicht nur dich betrügt, sondern auch - seine eigene Mutter. Ich meine, was erwartet er von mir? Ich kenn sie doch, ich weiß doch, was das für eine tolle Frau ist. Und da kommt er einfach so damit um die Ecke, dass er mit dem Freund seiner Mutter schläft!«
»Linda?«, fragte David. Es war ihm unheimlich, dass Linda sich immer mehr in die Sache hineinsteigerte. Ihre Stimme war immer lauter und schriller geworden.
»Was?«, fragte sie schon fast panisch.
»Beruhige dich, okay? Muss ja nicht gleich der ganze Schulhof wissen.«
Sie biss sich auf die Lippen. Dann sagte sie: »Das, was ich gestern erlebt habe, gehört zu den seltsamsten und unheimlichsten Dingen, die mir je passiert sind, David.« Sie lächelte kurz. »Ich habe mich entschlossen, dass ich Merlin glaube und gestern abend versucht, seine Mutter zu erreichen. Ja, ich wollte ihr alles erzählen. Ich meine, man muss ja nichts behaupten, aber ich hätte ihr zumindest sagen können, dass mir Merlin sowas gesagt hat.«
Sie schwieg plötzlich.
»Ja und?«, fragte David ein wenig ungeduldig. Er konnte sich nicht vorstellen, weshalb Linda so aus dem Häuschen war. Offensichtlich wusste sie ja über alles bestens Bescheid.
»Ich habe angerufen und hatte ihn am Draht«, sagte sie. In ihrem Gesicht spiegelte sich blankes Entsetzen. »Ich habe ihn noch nie gesehen, aber als er gestern am Telefon war, wusste ich ganz genau wie er aussieht.«
David musste lächeln.
»Ich weiß, dass sich das irgendwie verrückt anhört«, sagte Linda, »aber es war ein ekelhaftes Gefühl. Mein ganzer Körper stand unter Spannung und ich hatte überall eine Gänsehaut. Es fühlte sich an, als könnte ich jeden Moment durchs Telefon in seine Klauen fallen.«
David dachte über die Beschreibung des Gefühls nach. So ähnlich hatte es sich tatsächlich angefühlt, als er sich von Paolo in dessen Büro hatte küssen lassen.
»Und was hat er gesagt?«
Linda schnappte nach Luft. »David, ich bin mir total sicher, dass ich nichts gesagt habe am Telefon!« Ihre Hände drückten seine mit einer Kraft, die David ihr nicht zugetraut hatte. »Ich bin mir total sicher. Er hat sich gemeldet und ich habe sofort gewusst, dass er es ist und nichts gesagt.«
David nickte. »Was hat er denn gesagt?«
»Er hat meinen Namen gesagt und gefragt, ob ich weiß, wer bei diesem Spiel sterben soll!«
»Das ist doch Schwachsinn«, sagte David und machte sich von Linda frei. Die nächste Stunde hatte schon längst begonnen und sie mussten schleunigst hoch.
»David!«, schrie Linda.
Er blieb stehen. Es erschütterte ihn, dass sie sich in ihre kleine Horrorgeschichte dermaßen hineinsteigern konnte.
»David, bitte« Ihre Stimme hatte wieder normale Lautstärke angenommen. »Du musst mir glauben. Er wusste meinen Namen. Einfach so.«
»Vielleicht haben sie ein Telefon mit Rufnummerübertragung und Merlin hat sie unter deinem Namen eingespeichert.«
Linda sah ihn entgeistert an. »Das - du ...« Sie brach ab.
David grinste. Damit hatte sie nicht gerechnet. Trotzdem machte er sich in den nächsten beiden Stunden eine Menge Gedanken darüber, was Linda ihm in der Pause aufgetischt hatte. Die Energie, die sie in ihren kleinen Vortrag gesteckt hatte, wirkte noch nach.
111
»Warum konnte dein Sohn nicht gleich mitkommen?«, fragte Hans in gereiztem Tonfall.
Selma schloss die Augen und atmete durch. Ihr Vater hatte ja recht. Wieso lief gerade eigentlich alles schief? Wenn sie darauf eine Antwort hätte, würde sie wahrscheinlich erst gar nicht in diesem Wagen sitzen und sich solche Fragen stellen.
Dann spürte sie die Wut auf ihren Vater. Wie immer kehrte er seine typische Haltung hervor, die ihr stets den Vorwurf zu machen schien, dass sie nicht in der Lage war, irgendwas richtig zu machen. Sie öffnete die Augen wieder und verstaute das Mobiltelefon in ihrer Handtasche. Das Schlimmste war, dass er ja so recht
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