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Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Das Meer in seinen Augen (German Edition)

Titel: Das Meer in seinen Augen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L.B. Roth
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eigentlich bleiben?«
    »Nicht lange«, sagte Selma sofort. »Wenn ich etwas anderes wüsste, würde ich dich nicht bemühen, glaub mir.«
    »Du hast mir immer noch nicht vergeben«, stellte Hans fest. »Noch eine deiner Macken.« Er lachte. »Starrköpfig, verbohrt und das Gedächtnis eines Elefanten.«
    Selma schloss wieder die Augen. Vor ihr tauchte das Bild ihrer Mutter im Sterbebett auf, während Hans sich mit einer anderen Frau traf. Wie sollte sie das jemals verzeihen können? Ihr Vater hatte ihre Mutter zu Lebzeiten betrogen und auch nicht aufgehört, als sie schließlich krank geworden war und im Sterben lag. Immer wieder hatte sie sich in der Vergangenheit gefragt, was das für ein Mensch sein musste, ihr Vater. Heute konnte sie sich die gleiche Frage zu Merlin stellen und würde ebenfalls keine Antwort finden. Ihr Blick ging starr nach vorn. Es war für sie immer noch unfassbar. Merlin und Paolo. Wie konnte Paolo überhaupt ... Sie brach den Gedanken ab, bevor sich Bilder dazu in ihrem Kopf formten.
    »Hätte ich es ihr sagen sollen?«, fragte Hans unvermittelt.
    Selma war dankbar, dass sie aus ihren Überlegungen gerissen wurde. »Was?«, fragte sie.
    »Hätte ich ihr sagen sollen, dass es neben ihr auch immer andere Frauen gegeben hatte?«
    »Natürlich!«, brach es aus Selma heraus. »Wahrscheinlich hätte sie dich verlassen und ein anderes Leben angefangen. Du hast ihr die Chance genommen.«
    Hans schwieg lange. Dann sagte er: »Ich habe es ihr nie gesagt, weil ich sie nicht verletzen wollte.« Er machte ein Pause bevor er fortfuhr. »Ich hatte eine solche Angst davor, ihr weh zu tun, dass ich es einfach nicht geschafft habe. Und als sie schließlich krank wurde, stand für mich fest, dass ich es ihr niemals sagen konnte.«
    Selma schwieg. Schließlich fragte sie aber doch: »Warum hattest du überhaupt etwas mit anderen?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Hans. »Wahrscheinlich bin ich einfach kein Mann für eine einzige Frau allein.«
    Selmas Hände ballten sich zu Fäusten. Wie sie solche Sprüche hasste. War Merlin etwa auch ein Mann geworden, der sich nicht mit einem einzigen Menschen begnügen konnte und immer wieder betrügen würde?
    »Ich habe sie geliebt, trotz allem.« Er räusperte sich. »Und ich denke, ich habe mich richtig entschieden, sie in dem Glauben sterben zu lassen, dass sie allein mich glücklich gemacht hat.«
    Tränen schossen völlig unerwartet in Selmas Augen. Hastig griff sie nach ihrer Tasche und zerrte eine Packung Taschentücher hervor.
    »Es tut mir leid«, sagte Hans leise.
    »Schon gut.« Selma hielt sich die Hände vors Gesicht. »Schon gut«, wiederholte sie.

    112

    David klingelte. Nichts rührte sich im Haus. Er drückte den Klingelknopf noch mal. Aber auch hierauf blieb es still. Trotzdem konnte David nicht so einfach gehen. Unsicher warf er einen Blick über die Schulter zurück. Fast befürchtete er, dass seine Mutter ihn durch das Küchenfenster beobachtete. Er betätigte die Schelle zum dritten Mal. Innerlich zählte er die Sekunden herunter. Es half nichts. Weder Merlin noch Selma waren zu Hause. Eigentlich hatte David mit nichts anderem gerechnet, trotzdem war er enttäuscht. Nicht mal Paolo war da und konnte ihm die Nummer von Merlins Handy geben. Niedergeschlagen wandte er sich ab und ging über die Straße. Nach kurzem Überlegen entschloss er sich aber, doch noch nicht nach Hause zu gehen. Entschieden eilte er die Straße hinunter zur Hauptstraße. Dort bog er nach rechts ab, entgegen der Richtung, die ihn zu dem Fitnesscenter führte, in das er und Merlin nun doch nie gemeinsam gehen würden. Als er an der Kreuzung am Ende der Straße ankam, überlegte er kurz. Dann fiel ihm der Weg wieder ein. Eine halbe Stunde später stand er vor dem großen Bürogebäude, in dem jetzt sein Vater und Paolo saßen und arbeiteten. David zögerte, bevor er schließlich die Empfangshalle betrat. Die blonde Empfangsdame grüßte ihn mit einem Lächeln. Irgendwie hatte David erwartete, dass sie ihn fragen würde, was er denn wollte, aber das tat sie nicht. Sie ließ ihn einfach zu den Aufzügen gehen, als wäre er schon fester Mitarbeiter.
    Die Aufzugtüren glitten auseinander und David stieg ein. Er dachte daran, wie er gestern mit Paolo zusammen hier gestanden hatte. Es war unangenehm gewesen, aber jetzt im Nachhinein empfand er den Gedanken daran als spannend. Wenn er sich jetzt vorstellte, dass er diesen Mann gestern noch geküsst hatte, konnte er es kaum glauben. Fast

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