Das Meer in seinen Augen (German Edition)
Christian davon erzählen, wie seltsam er sich benommen hatte gestern Abend? Nein, das war sicher keine gute Idee, Christian würde David nur verurteilen. Und Merlin war sich nicht mal mehr sicher, ob er seiner Erinnerung diesbezüglich trauen durfte.
»Du weißt doch, der hat absolut spießige Eltern. Das fehlt denen sicher noch, dass ich da mit meinen Sachen stehe und einziehen will. Abgesehen davon will ich das bestimmt nicht.«
»Dann sieht es wirklich schlecht aus, wenn du nicht hier bleiben willst.«
»Danke, Chris, aber ich werde ganz bestimmt nicht hier wohnen. Ich finde es echt nett von dir, dass du das auf dich nehmen würdest, aber ...« Merlin ließ den Satz einfach unvollendet. Es fiel ihm doch nicht so leicht bei seiner Entscheidung zu bleiben. Immerhin drohte ihm ein Umzug nach Berlin und die Bekanntschaft zu seinem Großvater.
Wortlos nahm er sein Glas vom Tisch und ging zur Küche. Er brauchte jetzt unbedingt noch einen Wodka Lemon. Und dann würde er bei David anrufen. Dass er bei ihm wohnen konnte war zwar absolut keine Option, doch das hieß nicht, dass er keine klaren Verhältnisse schaffen konnte. Wieder dachte er mit Furcht an Berlin. Ob er seine Mutter vielleicht noch mal davon abbringen konnte?
»Wie machst du das eigentlich mit der Schule wenn du gehst?«, fragte Christian, der mittlerweile auch aufgestanden war und nun sein leeres Glas neben das von Merlin stellte.
Merlin mischte ihm ebenfalls einen weiteren Drink. »Ich weiß es nicht«, sagte er. Darüber hatte er in all dem Chaos noch gar nicht nachgedacht. »Aber in Berlin haben die doch sicher auch Schulen, oder etwa nicht?«
»Ganz sicher bin ich mir da nicht« Christian zwinkerte ihm schelmisch zu.
»Ich hab keine Ahnung.« Merlin setzte das Glas an und leerte es fast ganz. Dann stellte er es zur Seite. »Aber ich weiß, dass ich jetzt David anrufen werde.«
Indem er es laut sagte, nahm er sich selbst in die Pflicht. Bisher hatte immer noch die Möglichkeit bestanden, den Anruf einfach aufzuschieben und womöglich zu vergessen. Doch jetzt gab es kein Zurück mehr. Nur dumm, dass er Davids Handynummer nicht kannte. Er wusste nicht mal, ob David überhaupt ein Mobiltelefon besaß! Aber zum Glück hatte er die Nummer der Eltern frühzeitig bei Paolo erfragt. Er holte tief Luft und drückte den Wahlknopf.
118
Draußen wurde es bereits dunkel als David unten das Telefon hörte. Das Geräusch war hier oben kaum zu hören, doch er stand sofort unter Strom. Das Telefon! Wer sonst sollte um diese Zeit anrufen außer Merlin? Hastig sprang er aus dem Bett und lief zur Tür. Mit klopfendem Herzen lauschte er.
»Gessen«, meldete sich seine Mutter unten.
David schlich sich zur Treppe und ging in die Hocke. Wenn es tatsächlich Merlin war, wie würde sie wohl reagieren? Er überlegte kurz, ob er nicht lieber runterlaufen sollte, um ihr den Hörer wegzunehmen. Leider konnte er sich nicht sicher sein, dass der Anrufer tatsächlich Merlin war. Und eine solche Aktion würde nur wieder Ärger einbringen. Dabei hatten ihn seine Eltern nach der Flucht vorhin erstaunlicherweise in Ruhe gelassen.
»Nein«, sagte seine Mutter.
David wurde nervös. Wenn sie tatsächlich Merlin am Ohr hatte, dann hätte sie doch schon längst nach ihm rufen müssen. Oder bedeutete ihre Antwort, dass sie Merlin nicht mit ihm sprechen lassen wollte? Unruhig ging er ein paar Stufen hinunter, um besser hören zu können.
»Ich denke nicht, dass er noch Interesse hat.« Die Stimme seiner Mutter klang abweisend.
David schluckte. Jetzt hatte er keinen Zweifel mehr daran, dass seine Mutter Merlin von ihm fernhalten wollte. Trotzdem konnte er nicht glauben, was er da gerade hörte.
Seine Mutter wiederholte: »Wie ich schon sagte: Nein.«
David riss sich aus seiner Starre los und stürzte ins Wohnzimmer. Seine Mutter drehte sich erschrocken um.
»Was machst du da?«, fragte David heiser.
»Ich telefoniere«, sagte sie tonlos.
David blieb hilflos vor ihr stehen. Dann streckte er seine Hand aus. »Lass mich mit ihm sprechen!«
Seine Mutter schüttelte den Kopf. »Er hat aufgelegt.«
»Mam!« David konnte es nicht fassen. »Warum machst du das?«
»Ich möchte, dass es dir gut geht.« Sie lächelte ihn liebevoll an.
»Was wollte er?«
Sie schwieg.
»Mam, was wollte er?«, wiederholte David eindringlich.
»Er hat gesagt, dass - er wollte wissen ...«
David bemerkte sofort, dass seiner Mutter nicht die passende Ausrede einfiel und sie deshalb durcheinander
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