Das Meer in seinen Augen (German Edition)
völlig außer Atem, »er ist ...« Und dann kamen die Tränen, die ihn wie ein kleines Kind überwältigt vor Paolo stehen ließen.
»Du bist in Sicherheit«, sagte Paolo leise und lächelte. »Du bist bei mir.« Er breitete die Arme aus und wartete, dass David sich darin einfand.
Als das Schluchzen langsam abebbte, nahm David Paolos Körper unter der Kleidung war. Jede Regung drang zuckend durch den Stoff und versetzte seiner Haut ein wohliges Kribbeln.
»Ich wusste, dass du wiederkommst«, sagte Paolo und streichelte ihm über den Kopf.
David wischte sich die Tränen aus den Augen und sah Paolo an. Sein Gesicht wirkte merkwürdig verzerrt. Dennoch schloss er die Augen und empfing den Kuss. Mit einem Mal war die Welt außerhalb der Tür, an der sie nun lehnten, nicht mehr relevant. Das Einzige, was jetzt zählte, war Paolo und diese Hände, die sich in Davids Hose schoben.
Freitag
Meine Seele
Sie sagt
Er will deine Seele
Wie er es
Zuvor bei mir versucht
Weiß er denn nicht
Verflucht
Dass er meine bekäme
Ließe er dich nur gehn
M. Nagy
119
Merlin wurde vom Klingeln seines Handys geweckt. Verschlafen suchte er das Gerät und meldete sich.
»Hallo, hier ist deine Mutter«, sagte Selma.
»Hi Ma.« Merlin richtete sich auf und rieb seine Augen.
»Ich wollte nur nicht, dass du den Tag verpennst«, sagte sie. »Du musst noch zur Schule und dich schlau machen, wie du dich abmelden kannst.«
Merlin kratzte sich am Kopf. Dann kam langsam sein Gedächtnis zurück. Soweit er sich erinnern konnte, war er erst vor ein paar Stunden schlafen gegangen. Ihm war noch immer schwindelig vom Alkohol.
»Merlin?«
»Ja?«
»Ich meine es ernst!« Die Stimme seiner Mutter klang entschlossen.
»Ähm - Ma?« Merlin lehnte sich zurück. Irgendwie wusste er bereits, dass er keine Chance haben würde. Trotzdem fragte er: »Gibt es eine Möglichkeit, dass ich nicht mit nach Berlin muss?«
Sie schwieg. Jetzt war er derjenige, der noch mal fragte: »Ma?«
»Merlin, ich will dir nicht vorschreiben, was du tun sollst.« Sie schluckte. »Das kann ich wohl auch nicht mehr. Wenn du eine andere Lösung hast - bitte.«
Merlin hatte schon fast mit dieser Reaktion gerechnet. Sie war verletzt und erwartete von ihm, dass er mit ihr ging. Er konnte es jetzt schlimmer machen, indem er einfach hier blieb und womöglich noch weiterhin bei Paolo wohnte. Oder aber er würde in den sauren Apfel beißen müssen. Berlin! Das war auch nicht aus der Welt.
»Ich will noch zu David«, sagte er leise.
»Mach das!« Seine Mutter klang fast ärgerlich.
»Warum ausgerechnet Berlin?«
»Weil ich nicht vorhabe, nur ein Haus weiterzuziehen.« Sie schnaubte. »Außerdem ist es an der Zeit, dass dein Großvater auch mal etwas für uns tut.«
Merlin bemerkte den gutmütigen Tonfall. Irgendwas hatte sich wohl an ihrer Einstellung zu ihrem Vater geändert.
»Wann sollen wir dich abholen?«
Merlin zögerte. Was sollte er sagen? Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es erst kurz nach sieben Uhr war. Wie lange würde es dauern, bis er sich in der Schule vernünftig abgemeldet hatte? Ging das überhaupt so schnell? Merlin bezweifelte es. Und dann wollte er auch noch zu David. Das würde ihm sicherlich alles andere als leicht fallen.
»Ich ...«, begann er.
»Ich fahre jetzt gleich los«, sagte seine Mutter knapp. »Ich rufe dich noch mal an, okay?« Dann folgte nur noch Tuten.
Verwirrt sah Merlin das Handy in seiner Hand an. Sie hatte einfach aufgelegt. Wahrscheinlich hatte ihr das alles zu lange gedauert. Für einen Moment überlegte er, ob er sich nicht einfach wieder hinlegen sollte. Sie würden frühestens gegen Mittag wieder in Neuss sein. Aber Merlin fühlte sich nicht mehr in der Lage noch mal einzuschlafen. Das Gespräch hatte ihn hellwach gemacht. Vorsichtig erhob er sich von der Couch und suchte seine Sachen zusammen. Christian schlief noch, wie er unschwer an dem Schnarchen erkennen konnte. Wahrscheinlich würde er auch ein Nebelhorn brauchen, um ihn zu wecken. Schwankend lief Merlin ins Bad und machte sich frisch.
Eine halbe Stunde später saß er im Zug Richtung Düsseldorf, um eine weitere halbe Stunde später in Neuss auszusteigen. Wenn heute ein normaler Tag wäre, überlegte er, würde er jetzt mit David zusammen in der Schule sitzen und ganz normal den Unterricht über sich ergehen lassen. Die Vorstellung machte ihm ein schlechtes Gewissen. Wenn er nicht so einen Mist gemacht hätte, müsste er seine Schullaufbahn hier jetzt
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