Das Meer in seinen Augen (German Edition)
Merlin auf seinem Bett liegen. Wie gern würde er ihn trösten. Doch die Gefahr, dass er ungebeten kam, legte ihm die Entscheidung nahe, doch nicht mit rüberzugehen.
Seine Eltern hatten ihren Streit beigelegt. Wahrscheinlich tranken sie nun von dem wundersamen Tee oder was auch immer.
24
»Lin?«, fragte seine Mutter und schob die Tür zu seinem Zimmer auf. »Was hast du?«
»Nichts«, brummte Merlin.
»Soll ich dir einen Tee machen?«
»Machst du wieder einen auf Kräuterfee?«, fragte Merlin matt. Lustlos rollte er sich auf die Seite, damit er seine Mutter sehen konnte.
»Kräuterfee«, sagte Selma verächtlich. »Ich bin eine Hexe!« Dann sah sie ihn besorgt an. »Und ich spüre, dass etwas nicht in Ordnung ist. Willst du drüber reden?«
Merlin schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Du bist verliebt.«
»Ja.«
»Vielleicht willst du doch drüber reden?«
»Nein.« Merlin schloss die Augen und legte sich auf den Rücken. Wenn er ehrlich zu sich war, musste er aber zugeben, dass er doch ganz gern reden würde. Allerdings wollte er sich jetzt nicht noch mal umentscheiden.
»Eigentlich willst du doch, oder?«
Merlin seufzte, woher wusste sie das wieder?
»Ich bin deine Mutter, ich weiß sowas«, sagte sie und setzte sich zu ihm aufs Bett. »Ist es schief gegangen?«
Merlin nickte. Dann öffnete er wieder die Augen und richtete sich ein wenig auf. »Nein, eigentlich nicht. Im Grunde ist gar nichts passiert. Ich habe ihm nur gesagt, dass ich auf Jungs stehe und er hat für nen Hetero sehr cool reagiert. Das war es schon.«
Selma schmunzelte. »Hat er dir gesagt, dass er ein Hetero ist?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Woher willst du es dann wissen?«
»Er hätte mir doch sicher gesagt, dass er auch schwul ist, wenn ich mich schon oute, oder?«
»Lin, es gibt Jungs, denen das nicht so leicht fällt. Es ist nicht jeder so stark wie du. Du kennst seine Eltern doch noch gar nicht. Vielleicht würden die nicht so locker damit umgehen.«
»Du meinst - er hat es mir nur nicht gesagt?«
»Nein, ich meine nicht, ich weiß es.« Sie zwinkerte ihm zu. »Er hat sicher nur Angst. Hey, er ist umgekippt, als du mit ihm geredet hast!«
»Ma! Du hast wieder spioniert!« Merlin knuffte seine Mutter in die Seite. »Das kann echt nicht wahr sein!«
»Ich spioniere nicht, ich bin aufmerksam. Das ist alles.«
Merlin lachte. Mit einem Mal war seine Niedergeschlagenheit verflogen und er fühlte sich putzmunter.
»Woher willst du dich eigentlich so gut mit Schwulen auskennen?«, fragte er.
»Na aber hallo! Mein Sohn ist zufällig schwul, da lernt man schon ein wenig dazu«, sagte Selma und konnte sich ebenfalls ein Lachen nicht verkneifen. »Ich habe dich gesehen, wie du Jungen hinterherschaust. Das war der gleiche Blick, den ich nun bei ihm sehe, wann immer er dich anschaut.«
»Aber - ich verstehe das nicht. Wenn ich ihm doch gerade gesagt habe, dass er sich bei mir nicht verstecken braucht ...«
»Nimm ihm das nicht übel. Ich glaube, er ist da noch recht grün hinter den Ohren.« Sie runzelte die Stirn. »Außerdem ist es doch viel schöner, wenn ihr euch erst mal so kennenlernt, oder? Ich denke, du willst es romantisch haben. Da wäre es doch ein wenig einfach, wenn ihr euch gegenseitig die Tatsachen an den Kopf knallt, nur um dann schnell in die Kiste ...«
»Ma!« Merlin hielt sich die Hände vor den Kopf. »Immer wieder!«
Selma erhob sich und stemmte die Hände in die Hüften. »Was hältst du davon, wenn du ihn einfach mal hier rüberholst?«
Merlin überlegte einen Moment. Würde er das einfach so machen? Im Grunde wäre nichts dabei. Aber er wollte nicht den Eindruck erwecken, dass er hinter dem Jungen her war.
»Ach«, sagte er lahm. »Ich glaube, das ist keine gute Idee.«
»Traust du dich nicht?«
»Ich weiß nicht.« Merlin atmete schwer aus. »Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es ein wenig mehr von ihm kommen muss. Woher soll ich wissen, dass ich ihm nicht auf die Nerven gehe?«
»Na, auf mich willst du ja offenbar nicht hören.«
»Ma! Ich hab mich in ihn verknallt! Das ist doch - das wäre mir nicht passiert, wenn - ach, ich weiß auch nicht ...«
»Vielleicht würde es dir ja helfen, wenn ich ihn einlade«, kicherte Selma. »Dann würde ich ihm auf die Nerven gehen und nicht du.«
»Oh man, bitte keine peinlichen Aktionen!«, sagte Merlin ernst. »Ich kann das echt nicht gebrauchen. Ich will mich nicht blamieren, nur damit andere wissen, wie menschlich ich bin und wie nett und süß
Weitere Kostenlose Bücher