Das Meer wird dein Leichentuch
Schicksal der Menschen? Wo war sie, die Grenze zwischen der Welt der Lebendigen und den Sphären der Toten? Gab es so etwas wie das Ewige Leben?
Dieses Gesicht! Das Gesicht der Frau, die vor fast dreitausend Jahren gestorben war. Ich kannte es ganz genau.
Denn die Frau, die in dem uralten ägyptischen Sarkophag lag, war ich selbst.
Ich, Danielle Bidois.
Ich, Amarnis...
***
"Sie war eine Priesterin der Bastet im Tempel des heiligen Memphis, als Pharao Tut Ankh Amun Ägypten regierte“, begann Damian de Armand leise seine Erzählung. „Als ich in jenen Tagen auf der Erde wandelte, wütete die Pest im Delta des Nils. Unaufhaltsam drang sie selbst über die Mauern des heiligen Memphis.
Die Ärzte waren ratlos und das Volk drängte in die Tempel, um den Schutz der Götter zu erflehen. Nur wenige von ihnen betraten in dieser schweren Zeit das Heiligtum Bastets. In Todesangst flehten sie Osiris an, ihnen das Leben zu lassen.“
„Bastet ist doch die Göttin der Liebe, die man in Gestalt einer Katze verehrte.“ Ich hatte meiner verstorbenen Herrin einmal ein Buch über das alte Ägypten vorgelesen und vieles davon behalten. „Und Osiris, der Gemahl der Göttin Isis, ist der Herr und Richter des Totenreichs.“
„Das ist richtig, Danielle.“ nickte Damian. „Und so, wie du daran glaubst, dass die Liebe den Tod besiegt, so glaubte auch Armanis daran. Die Worte, die du eben gesagt hast, es waren die gleichen Worte, die meine Geliebte in den Tagen der Pharaonen einst zu mir sagte.
Ich war damals Ramphis, der Hohepriester des Osiris. Amarnis und ich hatten uns einige Zeit vorher kennengelernt. Und wie zwischen uns, Danielle, so gab es auch zwischen mir und Amarnis von Anfang an ein inneres Band, das uns wie eine Schlinge des Schicksals zusammenzog. Wie bei uns, Danielle, wurde damals aus Sympathie Liebe, ohne dass Amarnis und ich es uns jemals eingestanden hatten.
Als die grausamen Seuche Memphis erreichte, kam Amarnis zu mir in den Tempel des Osiris. Nach dem Glauben der Ägypter stellte der Pharao damals den lebendigen Gott Amun Re dar. Die Hohepriester der großen Tempel aber wurden als die Vertreter ihrer Götter in der Menschenwelt angesehen. Und so war ich für die Betenden der Stellvertreter des Osiris, während Amarnis die lebendige Göttin Bastet darstellt.
Wenn die Liebe und der Tod eins werden - dann wird die Liebe den Tod besiegen. So sagte Amarnis damals. Und um ihre Worte wahr werden zu lassen, verband sich die Bastet-Liebe mit dem Osiris-Tod. Eine Liebe, wie ich sie niemals wieder empfunden habe. Amarnis und ich gingen ineinander auf. Es war ein Augenblick höchster Erfüllung.
Selbst, als ich Amarnis mein Innerstes offenbarte und ihr die Wahrheit über mich ins Gesicht schrie, schreckte sie nicht vor mir zurück. Damals erkannte ich, dass Amarnis mich wirklich liebte. Sie folgte dem Weg ihres Glaubens und dem Schlag ihres Herzens. Auch wenn sie genau wusste, dass diese Liebe für sie den Tod bedeutete.
Sie musste sterben - weil wir zueinandergefunden hatten.
Niemals zuvor habe ich bei der Pflicht, zu der mich der Ewige vom Anbeginn der Zeit berufen hat, größere Bitterkeit empfunden. Warum war mir bestimmt, zu töten, was ich liebte? Doch selbst wenn die Steine geweint hätten, ich musste tun, was mir mein Amt befahl.
Ihr Tod war notwendig. Und die Notwendigkeit regiert die Götter.
So starb Armarnis im Augenblick des höchsten Liebesglücks.
Obwohl ich, der Gnadenlose, mich niemals für fähig hielt, Tränen zu vergießen, weinte ich, als Amarnis entseelt in meinen Armen lag. Doch ihr Opfer war nicht umsonst. Ihre Liebe und Hingabe, ihr Glaube und ihre Opferbereitschaft hatte selbst die Macht gerührt, die über mich gebietet. Ich wurde wieder aus der Welt hinweg genommen. Und die Seuche in Ägypten erstarb.
Keine der geheimnisvollen Hieroglyphen-Schriften berichtet über das Opfer von Amarnis. Ich bettete die sterbliche Hülle der Geliebten für den Schlaf der Ewigkeit in diesen Sarkophag. Und die allmächtige Kraft erhörte mein Flehen und ließ ihren Körper niemals vergehen. Immer, wenn ich sie ansehe, werde ich daran erinnert, dass es etwas gibt, das selbst die Macht des Todes überwindet. Die Liebe ...“
„Und
Weitere Kostenlose Bücher