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Das Meer wird dein Leichentuch

Das Meer wird dein Leichentuch

Titel: Das Meer wird dein Leichentuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Maine
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gesehen?“, bellte seine Stimme.
     
    „Eisberg voraus, Sir.“ hörte ich die aufgeregte Stimme von Frederek Fleet, der vom Mastkorb aus den eisigen Henker der Titanic zuerst erblickt hatte.
     
    „Danke!“ Mit einem Griff riss Murdoch das Fernglas an die Augen.
     
    „Mein Gott!“, hörte ich ihn flüstern. Er sah ihn heran treiben, den schneebleichen Tod. Und auch ich konnte eine weiße Masse erkennen, die sich vom nachtschwarzen Himmel abzeichnete. Der Eisberg sah aus wie ein gigantischer Kristall, aus dem das Licht der Sterne weiße Funken sprühen ließen.
    „Ruder hart Backbord!“ knarrte Murdochs Stimme. Und gleichzeitig betätigte seine Hand den Maschinentelegrafen, mit dem die Kommandos hinunter in den Maschinenraum geleitet, werden. Es klingelte grell, als der Hebel von ‘Volle Kraft voraus’ auf ‘Äußerste Kraft zurück’ geworfen wurde.
     
    „Ruder liegt hart Backbord.“ klang die Stimme des Rudergängers monoton. Das Speichen-Rad war in der Hand von Hitchens bis zum Äußersten gedreht worden.
     
    Pfeilgerade schoss die Titanic auf den Eisberg zu. Fünfhundert Meter ... vierhundert ...
     
    „Dreh dich. Mein Gott, dreh dich ...!“Stieß William Murdoch heiser hervor.
     
    Dreihundert Meter ...
     
    Endlich begann der Bug der Titanic abzudrehen. Langsam, ganz allmählich änderte der Ozeanriese seinen Kurs. Aus dem Maschinenraum drang das gequälte Kreischen und Knarren der Kolben, die abrupt auf Rückwärtsfahrt geschaltet wurden.
     
    Zweihundert Meter....hundert Meter....
     
    „Gottseidank. Wir schaffen es. Wir kommen gerade noch vorbei.“ stieß Murdoch erleichtert hervor. Er nahm die Mütze ab und wischte sich den kalten Angstschweiß von der Stirn.
     
    Er konnte nicht wissen, dass kommende Generationen errechnen würden, dass nur zwei Sekunden den Ausschlag gaben. Zwei Sekunden, die eine Ewigkeit sein können. Zwei Sekunden, in denen sich der Fluch des Steines, den er über dem Herzen trug, erfüllte.
     
    Es sah so aus, als würde die Titanic langsam in unmittelbarer Nähe am Eisberg vorbei treiben. Doch das metallisch schleifende Geräusch, das von unten herauf drang, klang wie das abrupte Zerreißen einer festen Leinwand.
     
    „Es hat uns erwischt“, murmelte der Rudergänger tonlos.
     
    „Das Schicksal nimmt seinen Lauf!“ Damians Stimme klang wie eine Totenglocke ...
     
                                                                                                      ***
     
    Ein kreischendes Knallen riss mich aus meinem Schlaf. Der Tanz im Ballsaal, das Erlebnis auf der Brücke während der Kollision mit dem Eisberg - war es ein Traum gewesen? Oder die Wirklichkeit, die ich an Damians Seite wie eine Vision erlebte.
     
    Ich war wieder in meiner Zelle. Mit einem Sprung war ich aus dem Bett. Ich war noch vollständig angekleidet und rannte zur Tür. Von draußen war gurgelndes Rauschen zu vernehmen. Es klang, als ob ein ganzer Wasserfall niederstürzte.
     
    Mit banger Ahnung drückte ich die Klinke herunter. Und schon schoss mir eine schwarz-grüne Brühe entgegen, die sofort meine Füße umspülte.
     
    Ich kreischte auf, als ich den mächtigen Riss in der gegenüberliegenden Schiffswand sah. Da wo das Schiff gegen den Eisberg gedrückt wurde, hatten die mächtigen, vernieteten Stahlplatten dem Druck nicht standgehalten. Das Metall war noch nicht zur Ruhe gekommen und gab nach. Die Nieten platzten und die Stahlplatten wurden durch das hereinschießende Wasser nach innen gedrückt. Der Schiffsrumpf war vom Bug bis unter die Kommandobrücke aufgerissen. Tonnenweise stürzte das eisige Wasser des Atlantiks durch das Leck. Unaufhaltsam drang es auf mich ein und kroch an mir empor.
     
    Das „Weinen der Titanic“, das ich vernahm, als ich an Bord ging, hätte allen eine Warnung sein müssen. Das Schiff war in sich in seiner Substanz aus Stahl noch nicht gefestigt. Jetzt war es zu spät.
     
    Schreiend kämpfte ich mich durch die stetig ansteigende Flut. Ich musste die Tür erreichen. Sie war zwar verschlossen, doch ich hoffte, dass mich die Männer im Postbüro dahinter hören würden.
     
    Als ich die Tür erreichte, stand mir das Wasser bereits bis zu den Hüften. Mit beiden Fäusten trommelte ich gegen die Tür.
     
    „Aufmachen! Das Schiff geht unter!“ schrie ich aus Leibes-Kräften. Aber nichts deutete darauf an, dass mich jemand hörte. Sollte ich hier unten elendig

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