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Das Merkbuch

Titel: Das Merkbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rutschky
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becomes worse instead of better.
    Allan. Newbiggin. Aunt Doris, schlampig. Tea bei Jones. Billard. Kino: Career. Autofahrt. Englische Landschaft. Snooker Institute. Film mit Sabu.
    Church, methodistisch. Trocken, kein Mystizismus. Tea party. Vicar. Poetisches mit C.
    Seifenkistenrennen. Mischung von Volksfeststimmung und Grausamkeit. Kino: On the Beach. Tragische Schnulze.
    Edinburgh. Castle. Holyrood Palace. Stadt.
    Castles. Warkworth. Bamburgh. Am Strand.
    Newbiggin, gebadet. Farewell Party.
    Morpeth. Newbiggin. Byebyesagen. (Mr. Hill).
    Departure. 8 h London. Piccadilly, Trafalgar, Lichtreklamen.
    Buckingham. Wache. Westminster. Parliament. Marianne getroffen. Großer Brall.
    Tower, City, St. Paul’s. Buchhändlerei.
    Windsor. St. George’s Chapel (gotisch bzw. perpendicular). Buchhändlerei. Mr. Chambers. Britisches Museum.
    Abschlussberichte. Abfahrt London 15.00. Stürmischer Kanal.

    Ja, man muss es nicht durchlesen.
    Jedenfalls war das eine Erfahrung, die den Sohn fürs Leben prägte, mit 17 für vier Wochen im Vereinigten Königreich, in Ashington, Northumberland, bei der englischen Arbeiterklasse.
    Von da an gehörte der Sohn ein für alle Mal zur angloamerikanischen Welt – während die Fünfziger für die Community, zu der er mal gehören wollte, doch noch durch Frankreich geprägt waren, den Existenzialismus, Sartre, Camus, die Jazzkeller von Paris. Freilich machte sich schon der Rock ’n’ Roll aus Amerika hörbar, die Beatles und die Rolling Stones aus Großbritannien standen vor der Tür. Der Sohn konnte als Jüngling bei der Documenta in Kassel die Malerei der New York School bestaunen, Bilder, vor denen die École de Paris verblasste . . .
    Hätte sein Gymnasium, wie das Gewohnheit wurde in Westdeutschland, das die Erbfeindschaft mit Frankreich liquidierte, zu seiner Zeit mit einer französischen École den Schüleraustausch gepflegt, der Sohn wäre vermutlich Franzose ebenso wie Engländer geworden; solche Prägungen unterliegen der Kontingenz. Und Vater, der noch an der archaischen Erbschaft des Wilhelminismus laborierte, hätte ihm einen Aufenthalt in La Rochelle oder Clermont-Ferrand mit anschließender Verliebtheit in Land und Leute keineswegs ausgeredet.

    Aber wenn dieser Aufenthalt in Northumberland den Sohn fürs Leben prägte, so verschweigen seine Aufzeichnungen vor Ort die Erfahrung und ihre Reichweite doch gründlich.
    Oder anders. Dass es hier heiß wird, worin immer die Hitze sich ausgibt, der Sohn weiß es: indem er Tag für Tag in Northumberland was aufschreibt nach der Disziplin des Kalendariums; eine Aufzeichnung ist besser als keine Aufzeichnung – was sie für die Zukunft bringt, bezeugt erst die Zukunft.
    Aber jetzt ist die Zukunft, und jetzt müsste die Bedeutung erscheinen. Wurde der Sohn ein Dichter, auf dessen grandiose lyrische Erfindungen die Zeilen möwen / rauch aus meinem herzen vorausdeuteten, wir würden es wissen. Wurde der Sohn ein Sänger, der regelmäßig vielbesuchte Konzerte gibt, nachdem er damals in Bedlington bei deutsch-englisch gemischten Konzerten mitgewirkt hatte? Gewiss sammelt er am Meeresstrand keine schönen Steine mehr – mittels deren man die Landschaft, das Meer, das Jetzt, die Unendlichkeit in Besitz nehmen kann. Später hat man gelernt, wie das misslingt. Im ostasiatischen Museum kann man die hübsch aufmontierten Steine bewundern, die der chinesische Gelehrte auf seinen Schreibtisch stellte, um sich mit seinen Blicken darauf zu ergehen, als wäre er in corpore im Gebirge – aber wir sind keine chinesischen Gelehrten.

    Längst tauscht der Sohn mit C. sich nicht mehr über Poetisches aus, ja, er hat vergessen, wer C. war. Dasselbe gilt für Marianne, die er in London trifft – nein, Unfug, Marianne war eine Nichte der Tante ohne Namen, der das Haus am Wald gehörte und die den Sohn bei verschiedenen Gelegenheiten, wenn Mutter weg war, beherbergte. Marianne – der Adressenteil verzeichnet die ihre mit 12 Waldeck Road, Ealing W 13, London, Telefon PER 3812 –, Marianne hatte Krankenschwester gelernt und brachte sich vor der Familie nach England in Sicherheit. Zuerst arbeitete sie in einem Hospital; dann in einem Kosmetikstudio, das auf Körperenthaarung spezialisiert war und viel besser zahlte. Solche Studios kannte Westdeutschland damals noch nicht; den Frauen steckte noch die Rassenhygiene der Nazis im Leib, der zufolge Natürlichkeit des weiblichen Leibs, Verzicht auf Kosmetik und alles Tralala der Vermehrung des deutschen Blutes

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