Das Midas-Kartell
die nervös über der Tastatur schwebten, seine schweiÃnasse Stirn. Das Zittern seiner Hände wurde immer schlimmer.
»Haben Sie sich eigentlich impfen lassen, bevor Sie hierherkamen?«, erkundigte sie sich.
»Gegen was? Nein, ich bin einfach so in den Flieger gestiegen.«
»Da waren heute ganz schön viele Moskitos. Die Zeit der Stürme. Wie fühlen Sie sich?«
Markus schüttelte den Kopf, als wäre die Frage völlig absurd, und tippte »Banco Azteca« in die Suchmaschine ein.
»Hier«, sagte er und öffnete seine Faust, in der er die eingerollten Minizettel mit den Nummern hatte. »Machen Sie eins auf und diktieren Sie mir Name und Zahlen.« Die Homepage der Bank war jetzt offen; er klickte sich durch die Links, bis er auf der Seite für die Privatkonten war.
»Alexander Chapman, 0432 4829 7121«, las Gloria vor.
»Was wird da abgefragt?« Markus deutete auf die spanischen Anweisungen auf dem Bildschirm.
»Die erste, dritte und letzte Ziffer.«
Er tippte die geforderten Zahlen ein und wartete. Eine neue Seite öffnete sich.
»Es funktioniert«, sagte er und überflog die Seite. »Wir sind drin, wir sind in einem Konto. Ich kannâs nicht fassen.« Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück.
Gloria hatte ihre Hand auf seine Schulter gelegt und fixierte den Monitor. Immer wieder repetierte sie im Kopf die Kontodaten, um sie auswendig zu lernen.
»Da hat er also das Geld? Auf Privatkonten bei der Banco Azteca?« Sie lächelte.
»Sieht so aus.« Markus spürte beinahe körperlich, wie die Last auf seinen Schultern leichter wurde. Zumindest hatte er jetzt etwas in der Hand, das er als Verhandlungsmasse einsetzen konnte. »Was ist das hier? Der Anfangssaldo?« Er deutete auf eine Stelle oben auf der Seite und neigte sich näher zum Monitor, um die vielen Nullstellen besser zählen zu können.
»SÃ, Anfangssaldo acht Millionen, nein, Moment, achthundert Millionen.« Achthundert Millionen Dollar , wiederholte sie tonlos. »Wie viele Püppchen haben wir? Sieben?«
Markus nickte und scrollte über die Seite.
»Ob auf allen Konten so viel Geld ist?«
»Keine Ahnung. Aber es muss Gründe geben, warum sie Daniel so gequält haben. Achthundert Millionen sind jede Menge Gründe.«
»Gehen Sie weiter runter, da, das Konto ist noch aktiv.«
Markus scrollte weiter. Es waren Abbuchungen vorgenommen worden. Per Dauerauftrag, zwei bis drei pro Tag. GroÃe Summen. Der Kontostand sank immer weiter, je tiefer Markus mit dem Cursor kam.
»Nichts mehr da«, sagte er langsam. »Achthundert Millionen Dollar ⦠weg. Bis auf ein paar Tausend.«
»Sollen wir die anderen Konten auch ausprobieren?«, fragte Gloria.
»Klar«, antwortete Markus. Der Bildschirm begann vor seinen Augen zu verschwimmen. Er rieb sich die Schläfen und schloss die Augen. Sie waren dem Geld so nahe gekommen, nahe genug, um zu sehen, wo es gewesen, aber nicht nahe genug, um zu wissen, wohin es gegangen war. Das Dunkel hinter seinen geschlossenen Lidern tat gut. Nur nichts mehr sehen zu müssen. Nur das Klappern der Tastatur zu hören. Es klang wie Regen, der auf die StraÃe fiel. Verschwommene Lichter, Bankenlogos und Moskitos, die um einen herumschwirrten. Wahnsinnige mit Pistolen, Männer, die Leute in Wassertanks steckten und Freunde anzün deten. Das Dunkel fühlte sich gut an, irgendwie tröstlich.
»Sehen wir uns die anderen Konten an«, sagte er schlieÃlich und öffnete die Augen wieder. »Das Geld kann sich nicht in Luft aufgelöst haben.«
57
Ravenshill, Suffolk, England, 21:00 Uhr
»Wie ist das Hühnchen? Du findest es hoffentlich nicht zu trocken, oder?«
Saskia Wittgenstein und ihr Mann saÃen sich am Küchentisch gegenüber. Sie hatte ihm ein spätes Abendessen gemacht, nachdem sie die Kinder zu Bett gebracht hatte. Auf dem Tisch standen frische Schnittblumen, und Kerzen tauchten den Raum in ein angenehm weiches Licht.
Pieter fiel das alles nicht auf. »Das Hühnchen ist bestens.« Er schob sein Fleisch auf dem Teller herum. »Ich bin nur nicht besonders hungrig.« Er hatte einen Bissen davon probiert und endlos darauf herumgekaut, bis es sich in seinem trockenen Mund angefühlt hatte wie Wollvlies. In Gedanken war er die ganze Zeit bei der baufälligen Farm im Osten des Anwesens, bei dieser Fernsehköchin und ihrer kleinen
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