Das Midas-Kartell
Geschäft groÃe Summen abwerfe, die rasch und diskret angelegt werden müssten. Beide Male hatte er unmissverständlich entgegnet, dass Wittgensteinâs nicht die richtige Bank für sie sei. Es gebe Privatbanken, die jedes Geld nahmen, ohne zu fragen, woher es kam. Und es gebe Privatbanken, die das nicht täten. Seine Bank gehöre zur letzteren Kategorie.
Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte er Señor Ramirez gesagt, dass er nichts mit ihm zu tun haben wolle, doch heute war es anders. Heute war da ein groÃes schwarzes Loch, das ihre Reserven zu verschlingen drohte.
»Ãber welche Summen reden wir denn?«, fragte er schlieÃlich.
Señor Ramirez wurde hellhörig. Er wusste, dass Wittgenstein gröÃten Wert auf seinen unbescholtenen Ruf legte. Wenn er sich auf solch ein Gespräch einlieÃ, bedeutete das, dass die Gerüchte über den Zustand der Bank stimmten.
»Genug.«
»Genug? Was meinen Sie mit âºgenugâ¹? Ich möchte schon eine genauere Vorstellung haben.«
Alphonse Ramirez stand steif auf. »Mr Wittgenstein, wie wäre es, wenn Sie mich auf mein Anwesen in Südamerika begleiten? Mir steht ein Flugzeug zur Verfügung. Das Arrangement, das ich vorschlagen möchte, soll zu unser beider Vorteil sein, aber es kann ein bis zwei Tage in Anspruch nehmen, bis alle Einzelheiten geklärt sind. Das würde ich gern in Ruhe in meinen eigenen vier Wänden tun.«
Zum ersten Mal fehlten Pieter die Worte. Sein Mund ging auf, aber es kam kein Laut heraus.
»Bitte, nehmen Sie das«, Alphonse öffnete sein Jackett und fischte eine ramponierte Taschenuhr heraus, mit gesplittertem Glas und verbogenen Zeigern. »Beachten Sie bitte die Gravur.«
Pieter drehte die Uhr um und las: Virtutis Fortuna Comes . Dem Tapferen hilft das Glück. Darüber die Insignien des Regiments des Duke of Wellington.
»Soweit ich weiÃ, hat Ihre Familie dem Duke o f Wellington die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt, um Napoleon zu bezwingen. Dies ist die Uhr des Herzogs. Ich möchte sie Ihnen schenken â als Symbol für die Ernsthaftigkeit meines Ansinnens, mit Ihnen Geschäfte zu machen, und aufgrund der Wertschätzung, die ich Ihrem Haus entgegenbringe.«
Pieter betrachtete die Uhr. Er hatte sie letztes Jahr im Auktionskatalog von Sothebyâs gesehen und ein telefonisches Angebot gemacht; der Zuschlag fiel dann schlieÃlich bei einer Summe, die er nie und nimmer zu zahlen bereit gewesen wäre.
»Ich kann unmöglich â¦Â«
»Unsinn. Ich lasse Sie heute Nachmittag mit einem Wagen abholen. Drei Tage sollten genügen. Ich freue mich sehr darauf. Guatemala ist ein erstaunliches Land. Sie werden Ihre Reise genieÃen.«
Damit wandte er sich um und verlieà das Büro.
Pieter starrte auf die demolierte Uhr. Der Mann hatte ihm gerade eine Antiquität im Wert von über achthunderttausend Pfund in die Hand gedrückt wie ein Trinkgeld. Einerseits war er beeindruckt, doch andererseits keimte Furcht in ihm. Geld, das einem vermeintlich in den Schoà fiel, hatte immer seinen Preis.
Die Reise nach Guatemala begann sehr angenehm. Ramirez war ein perfekter Gastgeber. Während des Fluges sprach er begeistert über Kunst und Antiquitäten, erzählte Pieter von seinen Stiftungen, seinem Krankenhausprojekt und den Stipendien für junge Leute, die im Ausland studieren wollten. Pieter lächelte höflich und stellte im passenden Moment kluge Fragen, so wie bei jedem anderen Kunden. Ãber das Geschäft würden sie später reden. Die Vorstellung, dass Ramirez ein engagierter Philanthrop mit hoch entwickeltem Sinn für soziale Gerechtigkeit sein sollte, erschien ihm zwar ziemlich absurd, doch er war bereit, das Spiel mitzuspielen.
Ein alter zweitüriger Chevrolet Aerosedan mit viel in der Sonne blitzendem Chrom wartete am Rande von Ramirezâ privatem Flugfeld auf sie, ein zwei Tonnen schweres Ungetüm in den Farben von Erdbeer- und Vanilleeis; es sah aus wie ein überdimensionales Kinderspielzeug aus der goldenen Ãra der US-amerikanischen Autoindustrie.
»Bitte, Señor Wittgenstein, übernehmen Sie das Steuer. GenieÃen Sie die Fahrt«, sagte Ramirez und öffnete die Fahrertür für Pieter. »Oldtimer sind eine meiner groÃen Schwächen. Sie gehören zu den Dingen, die mich in meiner Jugend am meisten fasziniert haben. Ich kannte sie natürlich nur aus
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