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Das Ministerium der Schmerzen (German Edition)

Das Ministerium der Schmerzen (German Edition)

Titel: Das Ministerium der Schmerzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dubravka Ugresic
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wie ein mechanischer Hund einer martialischen Rede von Slobodan Milošević.

    Gestopft voll die Taschen
mit gleichen Träumen
von Heimatliebe und von Freunden,
wie man als Schüler träumt im Geheimen.
Und jeder glaubte,
er hätte vor sich,
noch endlos vor sich
ein weites Feld,
um endlich zu lösen
alle Aufgaben der Welt.

    Der Weg des harmlosen Gedichts hatte bei einem wahren Ereignis, dem realen Tod der Schüler, im Krieg begonnen. Das Ereignis war danach in das Gedicht eingegangen und das Gedicht in die Schullektüre. Mehr als fünfzig Jahre später hatte sich der poetische Protest gegen den Krieg in sein Gegenteil verkehrt. Das Lächeln der Dichterin, das dem Volksführer galt, war eine symbolische Unterstützung des Krieges und all dessen, was mit ihm kam. Und jetzt in einer Amsterdamer Kneipe flossen diese Verse aus dem Mund eines jungen Flüchtlings wie hässlicher Geifer. Alles war peinlich und falsch. Uroš hatte sein Ziel jämmerlich verfehlt. Wir hörten ihm wortlos zu, nicht weil uns die Verse oder ihre Interpretation erschüttert hatten, sondern Uroš selbst. Uroš hatte die uns umgebende Schutzhülle zerstört, und der warme Dampf der kollektiven Nostalgie war entwichen. Die Magie des Augenblicks hatte sich in Unbehagen verwandelt.

    Ganze Reihen von Jungen
machten ruhig sich bereit,
faßten sich bei den Händen
nach dem letzten Unterricht
und liefen zum Erschießen,
als berührte der Tod sie nicht.

    Nach dem letzten Vers sackte Uroš auf seinen Stuhl. Niemand sagte ein Wort. Nur Ante spielte leise auf dem Akkordeon. Dann zog Uroš einen Fünfundzwanzigguldenschein aus der Tasche und klebte sie Ante auf die Stirn. Das Akkordeon verstummte. Uroš schlug heftig mit der Faust auf das Glas vor sich, das zersplitterte, und sein Kopf fiel auf die Tischplatte.

    Als er den Kopf hob, liefen dünne Blutrinnsale über sein Gesicht. Ich hörte einen Schrei von Nevena, Ana oder Meliha … Ich sah, wie Mario und Igor herbeisprangen, Uroš hochhoben und zur Toilette brachten. Ich erstarrte. Ich fühlte mich wie in Watte verpackt. Ich hörte, was am Tisch gesprochen wurde, aber der Klang kam aus einer weiten Ferne.
    »Mit unseren Leuten landest du immer in der Scheiße.«
    »Weil wir nicht normal sind. Wir sind krank, Mensch …«
    Die Jungs kamen bald wieder. Uroš wirkte etwas gefasster. Er hatte ein Pflaster auf der Stirn und die Hand mit einem Schal umwickelt. Igor und Mario hatten auf der Toilette seine Wunden gesäubert und das Pflaster vom Wirt erbeten. Darko bot sich an, Uroš nach Hause zu bringen.
    »Entschuldigen Sie …, falls ich etwas …«, sagte Uroš im Weggehen.
    Der Klang kam jetzt aus unmittelbarer Nähe. Ich antwortete nicht. Wusste nicht, was ich ihm sagen sollte.
    »He,
drugarica
, ist alles okay? Sie sind weiß wie die Wand«, sagte Igor besorgt.
    Ich nickte und bat um ein Glas Wasser. Der Kellner kam, und wir bezahlten die Zeche. Ich packte meine Geschenke in eine Tüte. Schweigend verließen wir den Pub.

    Draußen empfing uns dichter Nebel, man sah kaum die Hand vor Augen.
    »He, Leute, ich komm mir vor wie in einem Carpenter-Film«, hörte man Marios Stimme aus dem Nebel.
    »Machen Sie sich keine Sorgen um Uroš«, tröstete mich Meliha. »Eine balkanische Sause kann nur balkanisch enden.«
    »Es ist schon in Ordnung. Wir sehen uns in zwei Wochen«, stammelte ich.
    »Fahren Sie über die Feiertage nach Zagreb?«, fragte Nevena.
    »Ja.«
    »Wann?«
    »Morgen.«
    »Gute Reise! Und bringen Sie uns ›Bajaderen‹ mit«, sagte sie und küsste mich auf die Wange.
    Nach und nach verschwanden meine Studenten im Nebel. Schließlich blieben nur Igor und ich übrig. Igor bot sich an, mich nach Hause zu begleiten, wofür ich ihm dankbar war. Er nahm mir die Tüte mit den Geschenken ab. Ich hakte mich bei ihm ein und lehnte mich an ihn. Noch immer fühlte ich mich schwach.
    Der Nebel war dicht wie Zuckerwatte. Ich fühlte mich allmählich besser. Amsterdam sah aus wie ein Kindermärchen. »Zu dieser Stadt passt der Nebel, nicht wahr?«, flüsterte Igor.
    »Warum flüstern Sie?«
    »Wohl wegen des Nebels«, sagte er verlegen.
    Ich sah ihn an. Seine Verlegenheit rührte mich. Der Nebel war erregend wie das Kinderspiel vom Verschwinden, du-siehst-mich-du-siehst-mich-nicht, anziehend und erschreckend zugleich wie das russische Märchen von der Tarnkappe …
    »Was ist, was sehn Sie mich so an?«, fragte er schroff.
    »Was sind Sie für ein Kind …!«
    »Das Kind sind Sie! Wetten, dass Sie nicht wissen,

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