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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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der ersten bereits abgeflämmten Felder erkennen. Die Männer passten immer gut auf, dass die Brände nicht außer Kontrolle gerieten; einen Flächenbrand konnte keiner gebrauchen – man wusste nie, wohin er sich ausbreiten würde. Das Ziel, das sie ansteuerten, war das allerletzte Feld von allen. Es wurde »der König« genannt. Wenn der König brannte, war immer das halbe Dorf auf den Beinen, um die Kaninchen zu fangen, die vor den Flammen flohen. Das hätte eigentlich heute stattfinden sollen, aber heute waren alle … anderweitig beschäftigt gewesen.
    Genau oberhalb des Königs lagen die Hühnerställe und der Schweinestall. Es hieß, das Getreide gedieh auf dem König deshalb so besonders gut, weil es für die Knechte einfacher war, den Mist aus den Ställen gleich auf ihn runterzukippen, statt den Dung auf die tiefer gelegenen Felder zu karren.
    Sie landeten neben dem Schweinestall, begrüßt vom üblichen panischen Quieken der Ferkel, die immer – ganz egal, was tatsächlich geschah – glaubten, dass alle Welt sie in der Mitte durchsägen wollte.
    Tiffany schnupperte. Obwohl es nach Schweinen stank, war sie überzeugt, den Geist trotzdem riechen zu können, falls und sobald er sich näherte. Schweine waren zwar schmutzig, aber sie hatten einen natürlichen Geruch; verglichen mit dem Gestank des Tückischen, verströmten sie einen lieblichen Veilchenduft. Sie fröstelte. Der Wind frischte auf.
    »Können Sie es wirklich töten?«, flüsterte Preston.
    »Ich glaube, ich kann es dazu bringen, sich selbst zu töten. Und ich verbiete dir ausdrücklich, mir zu helfen.«
    »Tut mir leid«, sagte Preston. »Aber ich habe momentan die Amtsgewalt. Sie können mir keine Befehle erteilen, Fräulein Weh. Nichts für ungut, natürlich.«
    »Soll das heißen, dein Pflichtgefühl und der Gehorsam gegenüber deinem obersten Befehlshaber zwingen dich, mir zu helfen?«, fragte sie.
    »Ja, Fräulein«, antwortete Preston. »Auch wenn da noch ein paar andere Erwägungen mit hineinspielen.«
    »Dann nehme ich dein Angebot gerne an, Preston. Ich kann deine Hilfe wirklich gut gebrauchen. Ich würde es wahrscheinlich auch alleine schaffen, aber so ist es viel, viel einfacher. Ich möchte, dass du Folgendes tust …«
    Obwohl Tiffany sich einigermaßen sicher war, dass der Geist sie nicht belauschen konnte, senkte sie die Stimme. Preston hörte ihr aufmerksam zu. »Das müsste sich machen lassen, Fräulein. Vertrauen Sie auf den Mann mit der momentanen Amtsgewalt.«
    »Pfui, Spinne! Wie bin ich denn hier gelandet?«
    Etwas Graues, Klebriges, das einen ausgeprägten Bier-und Schweinegeruch verströmte, zog sich an der Stallmauer hoch. Tiffany wusste, dass es Roland war, aber auch nur, weil sie es für höchst unwahrscheinlich hielt, dass in ein und derselben Nacht gleich zwei Bräutigame in ein und denselben Schweinestall verfrachtet worden waren. Wie ein schleimiges Sumpfungeheuer erhob er sich aus dem stinkenden Morast, triefend von … Ach, belassen wir es dabei. Man muss ja nicht immer ins Detail gehen. Matschige Brocken pladderten von ihm auf die Erde.
    Er hatte einen Schluckauf. »Anscheinend hab ich ein riesiges Schwein in meinem Schlafzimmer, und meine Hose kann ich auch nicht finden«, lallte er mit schwerer Zunge. Der junge Baron blickte sich um. Dann ging ihm ein Licht auf. Beziehungsweise eine Laterne. »Ich glaub, das ist gar nicht mein Schlafzimmer, oder?«
    Sie roch den Geist. Aus dem Geruchsgemisch, das den Schweinestall umgab, stach sein Gestank heraus wie ein Fuchs aus einer Hühnerschar. Und er sprach zu ihr, in einer Stimme des Grauens und der Fäulnis. »Ich spüre, dass du hier bist, Hexe, und du bist nicht allein. Die anderen kümmern mich nicht, aber dieser neue Körper, obwohl nicht sehr robust, verfolgt seine… ganz eigenen Absichten. Ich bin stark. Ich komme. Du kannst nicht alle retten. Ich bezweifle, dass dein Flugstecken, dieses Teufelsding, vier Menschen tragen kann. Wen wirst du zurücklassen? Warum nicht alle? Warum nicht die lästige Rivalin zurücklassen, den jungen Mann, der dich verschmäht hat, und den aufdringlichen Knaben? Ah, ich weiß, wie du denkst, Hexe!«
    Aber so denke ich nicht, dachte Tiffany. Sicher, ich habe mich vielleicht wirklich ein bisschen darüber gefreut, Roland im Schweinestall zu sehen, aber ein Mensch ist nicht nur ein Mensch. Er ist immer auch ein Gefangener der Umstände.
    Aber du nicht. Du bist nicht mal mehr ein Mensch.
    Unter schlammigem Schmatzen und von lautstarken

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