Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
DOCH ANDERE KRÄFTE AM WERK. NOCH EINEN SCHÖNEN GUTEN MORGEN, FRÄULEIN WEH.
    Tod ging, und der Baron folgte ihm – ein kleiner Junge in seiner fruchtbar kratzigen, manchmal nach Urin 11 stinkenden Tweedjacke, der seinem Vater über ein qualmendes Feld folgte.
    Tiffany legte dem Verstorbenen die Hand aufs Gesicht und schloss ihm sanft und achtungsvoll die Augen, während der Schein des brennenden Feldes allmählich verlosch.

5
    Die Mutter aller Zungen
    Was ein Augenblick des Friedens hätte sein sollen, wurde jäh von Waffengeklirr zerstört. Burgwachen marschierten auf. Ihre Rüstungen schepperten noch lauter, als eine normale Rüstung sowieso schon scheppert, weil keine davon ihrem Träger so richtig passte. Obwohl es seit Jahrhunderten keine Schlacht mehr gegeben hatte, liefen sie immer noch in Eisen gepanzert herum. Rüstungen musste man kaum flicken, und sie trugen sich nie auf.
    Als Erster kam Brian herein, der Feldwebel. Sein Gesichtsausdruck war nur schwer zu beschreiben. Es war die Miene eines Mannes, den man soeben davon in Kenntnis gesetzt hat, dass eine böse Hexe – die er schon von Kindesbeinen an kennt – seinen Chef ermordet hat. Der weiß, dass der Sohn des Chefs auf Reisen und die Hexe noch in diesem Zimmer ist. Und den eine Krankenpflegerin, die er nicht besonders leiden kann, kräftig in den Hintern knufft, während sie auf ihn einbrüllt: »Worauf warten Sie, Mann? Tun Sie Ihre Pflicht!«
    Brian war genervt.
    Er warf Tiffany einen betretenen Blick zu. »Morgen, Tiff … äh, Fräulein Weh. Hier so weit alles in Ordnung?« Dann starrte er den Baron im Sessel an. »Also ist er wirklich tot?«
    »Ja, Brian, seit wenigen Minuten. Und ich denke, er war glücklich, als er starb.«
    »Na, dann ist es ja gut«, sagte der Feldwebel. Sein Gesicht verzog sich, Tränen strömten ihm über die Wangen und schluchzend brach es aus ihm heraus: »Er ist wirklich sehr gut zu uns gewesen, als meine Oma krank war; er hat ihr jeden Tag eine warme Mahlzeit geschickt, bis zu ihrem Ende.«
    Als sie seine Hand nahm, zog er sie nicht weg. Die anderen Wachen weinten ebenfalls, und umso heftiger, weil sie wussten – beziehungsweise hofften –, dass sie große starke Männer waren, für die sich das eigentlich nicht ziemte. Aber der Baron war einfach immer da gewesen, er gehörte zum Leben, wie der Sonnenaufgang. Sicherlich hatte er ihnen auch mal die Leviten gelesen, wenn sie während des Dienstes eingeschlafen waren oder ihre Schwerter nicht geschärft hatten (obwohl die Wachen seit Menschengedenken ihre Waffen höchstens dafür benutzten, den Deckel einer Marmeladenbüchse aufzuhebeln). Trotzdem war und blieb er der Baron, und sie waren und blieben seine Männer, und nun gab es ihn nicht mehr.
    »Fragen Sie sie nach dem Schürhaken!«, kreischte die Pflegerin, die hinter ihm stand. »Los, fragen Sie sie nach dem Geld!«
    Fräulein Proper konnte Brians Gesicht nicht sehen. Tiffany schon. Wahrscheinlich hatte ihn die Frau wieder in den Hintern geknufft, denn er war plötzlich bleich vor Wut.
    »Tut mir leid, Tiff… äh, Fräulein Weh, aber die Dame hier meint, Sie hätten einen Mord und einen Diebstahl begangen«, sagte er, doch seine Miene fügte stumm hinzu, dass diese Meinung keinesfalls der seinen entsprach und er sich mit niemandem irgendwelchen Ärger einhandeln wollte – am allerwenigsten mit Tiffany.
    Tiffany belohnte ihn mit einem leisen Lächeln. Denk immer daran, du bist eine Hexe, ermahnte sie sich. Beteuere jetzt nicht lautstark deine Unschuld. Du weißt , dass du unschuldig bist. Du brauchst nicht laut zu werden. »Der Baron war so gütig, mir etwas Geld dafür zu schenken, dass ich … ihn gepflegt habe«, antwortete sie. »Und Fräulein Proper hat davon wohl versehentlich etwas mitgehört und sich ein falsches Bild gemacht.«
    »Es ging um sehr viel Geld!«, beharrte Fräulein Proper, der die Zornesröte ins Gesicht gestiegen war. »Die große Truhe unter dem Bett des Barons stand offen!«
    »Das ist alles wahr«, sagte Tiffany. »Und es will mir so scheinen, als ob Fräulein Proper sogar eine ganze Zeitlang versehentlich mitgehört hat.«
    Einige Wachen feixten, was Fräulein Proper – wenn das überhaupt möglich war – noch wütender machte. Sie drängelte sich ins Zimmer.
    »Wollen Sie etwa bestreiten, dass Sie dort mit einem Schürhaken in der Hand gestanden haben und dass ihre andere Hand gebrannt hat?« Ihr Gesicht war inzwischen puterrot angelaufen.
    »Moment!«, sagte Tiffany. »Einen

Weitere Kostenlose Bücher