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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Teppich verlegt! «
    Tiffany lächelte freundlich. » Und …? «
    Herr Teppichleger sah sie verwirrt an. »Wieso und? Das war die lustige Geschichte!« Er fing an zu lachen, doch dann schrie er auf – ihm war wieder ein Knochen versprungen.
    »Ach so«, sagte Tiffany. »Entschuldigung, ich bin manchmal ein bisschen schwer von Begriff.« Sie rieb sich die Hände. »Und jetzt, mein Herr, werden wir Ihnen die Knochen sortieren.«
    Die Kutschpferde sahen mit müdem Interesse dabei zu, wie sie dem Mann (unter lautem Geächze und leisem Geschrei) auf die Beine und aus dem zeltgroßen Mantel half. Sie drehte ihn so, dass er sich mit den Händen an der Kutsche abstützen konnte.
    Tiffany konzentrierte sich und tastete den Rücken des Mannes durch das dünne Unterhemd ab, bis sie den springenden Knochen fand.
    Sie trat zu den Pferden und flüsterte jedem von ihnen ein paar Worte in die zuckenden Ohren. Vorsicht war besser als Nachsicht. Dann stellte sie sich wieder hinter Herrn Teppichleger, der folgsam, ohne sich zu bewegen, auf sie gewartet hatte. Während sie sich die Ärmel hochkrempelte, sagte er: »Sie verwandeln mich doch nicht in irgendwas Abartiges, oder, Fräulein? Ich möchte wirklich keine Spinne sein. Mir graust vor Spinnen, und meine Anziehsachen sind alle für einen Mann mit zwei Beinen gemacht.«
    »Warum um alles in der Welt sollte ich Sie in irgendetwas verwandeln wollen, Herr Teppichleger?« Tiffany ließ ihre Hand sanft über seine Wirbelsäule wandern.
    »Na, ich dachte eben, dass Hexen so was machen. Anwesende natürlich ausgenommen. Dass sie einen in hässliche Biester verwandeln, in Ohrenkneifer und so.«
    »Wer hat Ihnen denn das erzählt?«
    »Weiß ich selber nicht so genau«, antwortete der Kutscher. »Aber irgendwie hat doch jeder schon mal davon gehört.«
    Tiffany tastete den springenden Knochen mit den Fingerspitzen ab und sagte: »Das tut jetzt vielleicht ein bisschen weh.« Sie ließ den Knochen wieder einrasten. Der Kutscher schrie.
    Die Pferde wollten durchgehen, doch ihre Beine verweigerten ihnen den Dienst. Die Worte des Reitersmanns, die ihnen noch in den Ohren hallten, ließen sie wie angewurzelt stehen bleiben. Tief beschämt hatte Tiffany den Spruch vor einem Jahr von einem alten Hufschmied entgegengenommen, den sie fürsorglich in einen schmerzlosen Tod begleitet hatte. Aber eigentlich hatte er sich dafür geschämt, dass er nichts besaß, womit er sie für ihre gewissenhafte Pflege hätte entlohnen können. Denn die Hexe musste bezahlt werden – genau wie der Fährmann. Deshalb hatte er ihr die Worte des Reitersmanns ins Ohr geflüstert, mit denen man Macht über jedes Pferd gewann. Man konnte sie weder kaufen noch verkaufen, doch man konnte sie verschenken, ohne sie herzugeben. Und selbst wenn man sie in Blei gegossen hätte, wären sie ihr Gewicht in Gold wert gewesen. Ihr ehemaliger Besitzer hatte Tiffany noch ins Ohr geflüstert: »Ich habe versprochen, es keinem Mann weiterzusagen, und somit habe ich mein Wort gehalten!« Dann starb er, mit einem Kichern auf den Lippen. Sein Sinn für Humor war weitläufig mit dem von Herrn Teppichleger verwandt.
    Der Fahrer war langsam an der Kutsche zu Boden gerutscht und –
    »Warum quälst du den alten Mann, du böse Hexe? Siehst du nicht, dass er fürchterliche Schmerzen leidet?«
    Wo kam denn der auf einmal her? Ein geifernder Mann, das Gesicht weiß vor Wut, die Kleidung so dunkel wie eine verschlossene Höhle oder – das Wort schoss Tiffany plötzlich in den Sinn – wie eine Gruft. Gerade noch war kein Mensch in der Nähe gewesen, nur in der Ferne der eine oder andere Bauer beim Abflämmen der Stoppelfelder.
    Doch nun stand er vor ihr, das Gesicht nur eine Handbreit von ihrem entfernt. Und er war real, kein Ungeheuer, denn die hatten normalerweise keine Speicheltropfen auf der Jacke. Und noch etwas: Er stank! So etwas Übles hatte sie noch nie gerochen. Der Gestank, der ihr entgegenschlug, traf sie wie eine Eisenstange. Er war so stark, dass sie das Gefühl hatte, ihn nicht mit der Nase zu riechen, sondern mit dem Verstand. Im Vergleich zu diesem Pesthauch verströmte das durchschnittliche Plumpsklo geradezu einen süßen Rosenduft.
    »Treten Sie bitte einen Schritt zurück«, sagte Tiffany höflich. »Ich glaube, Sie irren sich. Sie haben da etwas missverstanden. «
    » Ich weiß, was ich sehe, du teuflische Kreatur. Ich irre mich nie ! Und ich weiß, was ich will: dich in den elenden, stinkenden Pfuhl zurückschleudern, aus dem

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