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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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gewesen. Sie hatte im richtigen Moment das Richtige getan. Wie es sich gehörte. Und warum hatte sie es überhaupt tun müssen? Weil es ihre Schuld gewesen war. Sie hatte nicht auf Fräulein Verrat gehört und bei einem Tanz mitgemacht, der nicht einfach nur ein Tanz war, sondern der Reigen der Jahreszeiten.
    Entsetzt fragte sie sich: Wo soll das alles enden? Man macht einen dummen Fehler und bügelt ihn wieder aus, und dann zieht das Ausbügeln gleich den nächsten Fehler nach sich. Hört das denn niemals auf? Frau Prust beobachtete sie, wie gebannt.
    »Ich hab‘ doch bloß getanzt«, sagte Tiffany.
    Frau Prust legte ihr die Hand auf die Schulter. »Mein Kind, ich fürchte, du wirst noch einmal tanzen müssen. Dürfte ich dir an dieser Stelle vielleicht einen äußerst vernünftigen Vorschlag machen?«
    »Ja«, antwortete Tiffany.
    »Hör auf meinen Rat«, sagte Frau Prust. »Normalerweise gibt es bei mir ja nichts umsonst, aber ich bin immer noch ziemlich obenauf, weil ich dieses Jüngelchen erwischt habe, das mir dauernd die Scheiben einwirft. Deshalb bin ich heute in der richtigen Stimmung für eine richtig gute Tat. Ich kenne eine Frau, die wahrscheinlich dringend mit dir reden möchte. Sie lebt hier in der Stadt, aber du würdest sie niemals finden, ganz gleich, wie viele Beine du dir ausreißt. Sie wird dich finden. Und jetzt mein Rat: Wenn sie dich gefunden hat, dann passt du ganz genau auf, was sie dir zu sagen hat.«
    »Ja, und wie finde ich sie nun?«, fragte Tiffany.
    »Vor lauter Selbstmitleid hast du nicht richtig zugehört«, antwortete Frau Prust. »Sie findet dich . Das merkst du dann schon. Keine Bange.« Sie fasste in ihre Tasche und holte eine kleine runde Blechbüchse heraus. Nachdem sie mit dem schwarzen Fingernagel den Deckel aufgeschnipst hatte, lag plötzlich ein Kribbeln in der Luft. »Schnupftabak?« Sie hielt Tiffany die Dose hin. »Eine hässliche Angewohnheit, ich weiß. Aber es putzt die Bronchien so schön durch und hilft mir beim Nachdenken.« Sie gab eine Prise des braunen Pulvers auf ihren Handrücken und zog es mit einem Geräusch hoch, das sich wie ein umgekehrtes Schnäuzen anhörte. Sie hustete, kniff ein paar Mal die Augen zusammen und sagte: »Natürlich sind braune Popel nicht jedermanns Sache, aber ich finde, sie peppen den Look der hässlichen alten Märchenhexe noch ein bisschen mehr auf. Na, wie dem auch sei, bestimmt bringen sie uns bald das Abendessen.«
    »Wir bekommen Verpflegung?«, fragte Tiffany.
    »Na klar, hier wird man anständig behandelt. Allerdings bin ich der Meinung, dass der Wein beim letzten Mal ein bisschen gekorkt hat«, sagte Frau Prust.
    »Aber wir sitzen doch im Gefängnis.«
    »Nein, mein Kind, wir sitzen in einer Arrestzelle. Und auch wenn das keiner laut ausspricht, wir sind hier zu unserem eigenen Schutz. Wir sehen zwar aus wie ein gesperrt, aber in Wahrheit sind alle anderen aus gesperrt. Die Wachen sind clever, dagegen können sie gar nichts machen, auch wenn sie sich manchmal dumm stellen. Sie wissen, dass die Menschen Hexen brauchen. Und sie selber sind auf die Hilfe inoffizieller Mitarbeiter angewiesen, die den Unterschied zwischen Richtig und Falsch kennen und wissen, wann Richtig falsch und wann Falsch richtig ist. Die Welt braucht Leute, die an den Rändern der Gesellschaft arbeiten. Leute, die kleinere Stolpersteine und Fußangeln aus dem Weg räumen und Probleme lösen. Schließlich sind wir doch alle Menschen. Fast alle. Fast immer. Und fast jeden Vollmond lässt sich Feldwebelin Angua von mir ein Mittelchen gegen ihre Hartballenstaupe geben.«
    Sie zückte erneut ihre Schnupftabaksdose.
    Nach einer Weile bemerkte Tiffany: »Hartballenstaupe ist eine Hundekrankheit.«
    »Und eine Werwolfkrankheit.«
    »Ach so. Ich hatte gleich das Gefühl, dass sie irgendwie anders ist.«
    »Aber sie hat alles unter Kontrolle«, sagte Frau Prust. »Sie wohnt mit Hauptmann Karotte unter einem Dach und beißt keine Menschen. Na gut, vielleicht beißt sie Hauptmann Karotte, doch darüber schweigt des Sängers Höflichkeit. Was legal ist, muss jedenfalls noch lange nicht richtig sein, und manchmal kennt nur eine Hexe den Unterschied. Oder ein Polizist, wenn es einer von der richtigen Sorte ist. Kluge Leute wissen das, dumme Leute nicht. Nur können leider dumme Leute auch furchtbar gerissen sein. Übrigens, Fräuleinchen, deine frechen kleinen Freunde sind ausgebüxt. «
    »Ja«, antwortete Tiffany. »Ich weiß.«
    »Ist das nicht eine Schande, nachdem

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