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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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findet immer ein offenes Ohr. Aber bei Fräulein Proper hatte sie anscheinend nicht nur ein offenes Ohr gefunden, sondern zwei – und war wahrscheinlich auch noch mit offenen Armen empfangen worden. Und mit Fanfaren. Ja, die Pflegerin musste dem Tückischen Einlass gewährt haben. Sie war genau der Mensch, dem so etwas zuzutrauen war, der Mensch, der ihm Macht verleihen würde: die Macht des Neides, der Eifersucht, des Hochmuts. Aber ich weiß, dass ich nichts Unrechtes getan habe, sagte sie sich. Oder doch? Ich sehe mein Leben ja nur von innen, und von dieser Warte aus betrachtet, tut wohl niemand etwas Unrechtes. Ach, verflixt! Alle kommen mit ihren Problemen zur Hexe gelaufen! Aber ich kann den Tückischen nicht für alles verantwortlich machen, was die Leute gesagt haben. Ich wünschte, ich hätte außer Jeannie noch jemanden, mit dem ich reden kann, jemanden, den der spitze Hut nicht interessiert. Und was mache ich jetzt? Ja, was mache ich jetzt, Fräulein Weh? Was würdest du mir raten, Fräulein Weh, die so gut darin ist, anderen Leuten ihre Entscheidungen abzunehmen? Nun, ich würde dir raten, dich auch mal richtig auszuschlafen. Letzte Nacht hast du kaum ein Auge zugemacht, so rekordverdächtig wie Frau Prust geschnarcht hat, und seitdem ist viel geschehen. Außerdem kann ich mich nicht daran erinnern, wann du das letzte Mal eine warme Mahlzeit bekommen hast. Und dürfte ich dich auch noch darauf aufmerksam machen, dass du Selbstgespräche führst?
    Sie blickte auf Roland hinunter, der wie ein Häufchen Elend auf seinem Stuhl hing und ins Leere blickte. »Ich sagte, ich nehme Amber erst einmal mit zu meinen Eltern.«
    Roland zuckte mit den Schultern. »Ich kann Sie wohl kaum daran hindern, was?«, entgegnete er sarkastisch. »Schließlich sind Sie die Hexe.«
     
    Tiffanys Mutter richtete Amber, ohne viel zu fragen, ein Bett her. Tiffany schlief in ihrem eigenen Bett auf der anderen Seite des großen Zimmers sofort ein.
    Als sie aufwachte, brannte sie lichterloh. Der ganze Raum war erfüllt von Flammen, die rot und orangefarben flackerten, aber genauso harmlos waren wie die im Küchenofen. Rauch gab es keinen, und es war zwar warm, aber nichts schien zu brennen. Als wollte das Feuer nur auf einen Freundschaftsbesuch hereinschauen und nicht, um ernst zu machen. Seine Flammen knisterten.
    Verzaubert hielt Tiffany einen Finger daran und hob ein kleines Flämmchen heraus, als wäre es so friedlich wie ein Küken. Als es erkalten wollte, blies sie hinein, und es züngelte fröhlich wieder empor.
    Tiffany stand vorsichtig aus dem brennenden Bett auf. Wenn das ein Traum war, machte er das Klingeln und Klirren, das das alte Bett von jeher von sich gab, wirklich sehr überzeugend nach. Amber schlief friedlich unter einer Flammendecke. Während Tiffany noch zu ihr hinübersah, drehte sie sich auf die andere Seite, und die Flammen drehten sich mit.
    Als Hexe lief man nicht gleich schreiend durchs Haus, nur weil das eigene Bett in Flammen stand. Und es war ja auch kein gewöhnliches Feuer, sondern eines, das keinen Schaden anrichtete. Dann ist es also in meinem Kopf, dachte sie. Feuer, das keinen Schaden anrichtet. Die Häsin läuft ins Feuer… Da will mir doch irgendeiner etwas sagen.
    Leise verloschen die Flammen. Am Fenster nahm Tiffany den kleinsten Schatten einer Bewegung wahr. Sie seufzte. Die Größten gaben wirklich niemals auf. Seit ihrem neunten Lebensjahr wusste sie, dass die Kobolde nachts über sie wachten. Deshalb badete sie immer hinter einem Bettlaken in einer Sitzwanne. Sie fühlte sich einfach wohler dabei, auch wenn sie höchstwahrscheinlich nichts an sich hatte, was die Wir-sind-die-Größten ihr hätten weggucken wollen.
    Die Häsin läuft ins Feuer… Es klang ohne Zweifel nach einer Nachricht, die sie entschlüsseln musste. Fragte sich bloß, von wem? Vielleicht von der geheimnisvollen Hexe, von der sie beobachtet wurde? Omen sind ja schön und gut, aber manchmal wäre es hilfreicher, wenn man seine Warnungen einfach auf einen Zettel schreiben würde! Allerdings rächte es sich, wenn man solche Eingebungen und Zufälle ignorierte: die plötzlichen Erinnerungen, die kleinen Launen. Nicht selten kamen sie aus einem verborgenen Winkel im eigenen Kopf und gaben sich die größte Mühe, einem eine Nachricht zukommen zu lassen – eine, die man vor lauter Geschäftigkeit übersehen hatte. Aber draußen war es helllichter Tag, und solche Rätsel konnten warten. Im Gegensatz zu anderen Aufgaben. Und die

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