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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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mehr vergessen. Und gestrampelt haben sie und ›Mama!‹ gerufen. Ich werde ihre kleinen Gesichtchen bis ans Ende meiner Tage vor mir sehen!« Und wieder brach sie in Schluchzen aus, so krampfhaft, dass sie kaum noch Luft bekam. Als Tiffany die ihr am nächsten stehende Küchenmagd zu sich winkte, fuhr diese zurück und duckte sich wie unter einem Schlag.
    »Würde mir bitte irgendeiner sagen, was hier…« Tiffany unterbrach sich. »Was willst du mit dem Eimer ?« Der Ausruf galt einem Mädchen, das soeben einen schweren Kübel aus dem Keller heraufgeschleppt hatte und ihn – erschrocken über den barschen Befehlston inmitten der allgemeinen Aufregung – prompt fallen ließ. Eissplitter verteilten sich auf dem Boden. Tiffany atmete tief durch. »Meine Damen, man behandelt eine Verbrühung nicht mit Eis, auch wenn es einem noch so einleuchtend vorkommt. Baden Sie ihren Arm mindestens eine Viertelstunde lang in abgekühltem Tee, aber auf gar keinen Fall in kaltem. Haben das alle verstanden? Gut. Und jetzt möchte ich wissen, was passiert ist.«
    »Da waren lauter Frösche drin!«, kreischte die Köchin. »Erst waren es noch Serviettenknödel, und ich hab sie in siedendes Wasser gegeben, und als ich den Deckel abgenommen hab, hatten sie sich in kleine Frösche verwandelt, die nach ihrer Mutter riefen. Ich hab’s ja gleich gesagt, aber auf mich hört ja keiner. Eine Hochzeit und eine Beerdigung unter einem Dach, das bringt Unglück und sonst gar nichts. Das ist Hexerei!« Mit einem erschrockenen Japsen schlug sie sich die Hand vor den Mund.
    Tiffany verzog keine Miene. Sie sah in den Kessel, sie sah sich den Fußboden an. Von Fröschen keine Spur. Lediglich zwei dicke, fette Serviettenknödel auf dem Grund des Kessels. Als sie die noch sehr heißen Knödel vorsichtig herausnahm und auf den Tisch legte, wichen die Küchenmägde ängstlich davor zurück.
    »Ganz normale Knödel«, verkündete sie fröhlich. »Kein Grund zur Beunruhigung.«
    »Mir ist schön öfter aufgefallen«, sagte Preston, »dass siedendes Wasser auf höchst merkwürdige Weise wallen kann. Wenn zum Beispiel die kleinen Tröpfchen über der Wasseroberfläche auf- und abhüpfen. Das könnte durchaus ein Grund dafür sein, warum Frau Pamps glaubt, sie hätte Frösche gesehen.« Er beugte sich zu Tiffany und flüsterte: »Ein anderer Grund könnte die Flasche Sherry dort drüben auf dem Regal sein, die mir fast leer zu sein scheint. Diesen Schluss legt auch das Glas nahe, das da so ganz allein in der Spülschüssel steht.« Tiffany war beeindruckt; das Glas war ihr gar nicht aufgefallen.
    Aller Augen waren auf sie geheftet. Jetzt hätte eigentlich irgendjemand etwas sagen müssen, aber alles schwieg. Da war es wohl besser, sie nahm die Sache selbst in die Hand.
    »Der Tod des Barons hat uns alle sehr mitgenommen«, begann Tiffany, doch weiter kam sie nicht, denn die Köchin fuhr bolzengerade auf ihrem Stuhl hoch und zeigte zitternd mit dem Finger auf sie.
    »Uns alle, bloß dich nicht, du Scheusal!«, keifte sie. »Ich hab dich gesehen, jawohl, ich hab dich gesehen! Alle haben sich die Augen ausgeweint, nur du nicht! Du nicht! Du bist rumstolziert und hast uns rumkommandiert – Leute, die deine Eltern sein könnten! Genau wie deine Oma! Uns kannst du nichts vormachen! Du warst in den jungen Baron verschossen, und als er dir den Laufpass gegeben hat, hast du aus Rache den alten Baron umgebracht! Dafür gibt es Zeugen! Ja, und jetzt ist der arme Junge ganz aufgelöst vor Kummer, und seine Braut weint sich die Augen aus dem Kopf und kommt nicht mehr aus ihrem Zimmer. Und du? Du lachst dir klammheimlich ins Fäustchen! Manche sagen sogar schon, dass die Hochzeit verschoben werden sollte! Das käme dir gerade recht, was? Wahrscheinlich ziehst du vor dir selbst deinen spitzen schwarzen Hexenhut. Darauf möchte ich wetten. Ich kann mich gut erinnern; als du noch ein kleines Mädchen warst, bist du in die Berge gegangen, wo lauter fremdländische wilde Leute leben. Und wie bist du wieder zurückgekommen? Als was bist du wieder zurückgekommen? Als neunmalkluge, eingebildete Person, die uns wie den letzten Dreck behandelt und einen jungen Mann ins Unglück stürzt. Und das ist noch nicht mal das Schlimmste! Da braucht man bloß Frau Micker zu fragen! Und über Frösche lasse ich mir von dir schon gleich gar nichts erzählen! Ich werde ja wohl noch einen Frosch erkennen, wenn ich einen sehe! Und ich habe Frösche gesehen! Die müssen – «
    Tiffany trat aus

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