Das Mitternachtskleid
Herzogin, und demzufolge lautet mein Titel ›Durchlaucht‹. Verstanden?«
»Ja … gnä … Durchlaucht!« Zum Selbstschutz salutierte Preston lieber gleich noch einmal.
Einen Augenblick lang wirkte die Herzogin zufrieden, aber es war ein ungemein kurzer Augenblick.
»Schön. Und jetzt wirst du diese Kreatur« – sie deutete mit einer abfälligen Handbewegung auf Tiffany – »in euer Verlies werfen. Hast du verstanden?«
Erschrocken warf Preston einen ratsuchenden Blick auf Tiffany. Die zwinkerte, um ihn aufzumuntern. Er wandte sich wieder der Herzogin zu. »Ich soll sie ins Verlies werfen?«
Die Herzogin funkelte in böse an. »So lautet mein Befehl! «
Preston runzelte die Stirn. »Im Ernst? Aber dann müssen wir erst einen andern Platz für die Ziegen suchen.«
»Junger Mann, es interessiert mich einen feuchten Kehricht, was du mit deinen Ziegen anfängst! Ich befehle dir, diese Hexe auf der Stelle einzukerkern. Wird‘s bald? Sonst sorge ich dafür, dass du die längste Zeit Wachmann gewesen bist.«
Tiffany, die von Preston schon jetzt schwer beeindruckt war, hätte ihm für seine nächste Antwort am liebsten einen Orden verliehen. »Kann ich nicht machen«, sagte er. »Wegen dem Aas. Der Spieß hat mir das ganz genau erklärt. Wegen dem Rabenaas. Rabenaas Korbaas. Das bedeutet, man kann keinen einsperren, wenn der kein Gesetz gebrochen hat. Rabenaas Korbaas. Steht alles geschrieben. Rabenaas Korbaas«, wiederholte er noch einmal zum besseren Verständnis.
Angesichts einer solchen Aufsässigkeit schien die Wut der Herzogin einem faszinierten Grauen Platz zu machen. Dieses jugendliche Pickelgesicht in seiner schlackernden Rüstung wollte sich ihr mit irgendwelchen albernen Worten widersetzen? So etwas war ihr noch nie passiert. Als hätte man herausgefunden, dass Frösche sprechen können. Was gewiss recht interessant war, aber nichts daran änderte, dass auch ein sprechender Frosch früher oder später zertreten werden musste.
»Du wirst auf der Stelle die Rüstung ablegen und diese Burg verlassen, verstanden? Du bist gefeuert. Deine Stellung bist du los, und ich werde mich nach Kräften dafür einsetzen, dass du als Wachmann nie wieder irgendwo einen Fuß auf den Boden bekommst, Bürschchen.«
Preston schüttelte den Kopf. »Können Sie nicht machen, gnädige Durchlaucht. Wegen dem Aas. Was hat der Spieß zu mir gesagt? ›Preston‹, hat er gesagt, ›halte du dich nur immer schön an Rabenaas Korbaas. Das Aas ist dein Freund. Auf das Aas ist Verlass.‹«
Die Herzogin starrte Tiffany an. Da sie deren Schweigen offenbar noch mehr erboste als alles, was sie hätte sagen können, schwieg Tiffany weiter, in der stillen Hoffnung, dass Rolands zukünftige Schwiegermutter vielleicht vor Wut platzen würde. Stattdessen, und wie nicht anders zu erwarten, ging sie erneut auf Preston los.
»Was erdreistest du dich, mir Widerworte zu geben, du Hundsfott!« Sie hob den schwarzglänzenden Stock mit dem Silberknauf. Aber plötzlich ließ er sich nicht mehr bewegen.
»Sie werden ihn nicht schlagen, gnädige Frau«, sagte Tiffany mit ruhiger Stimme. »Eher bricht Ihnen der Arm, dafür werde ich sorgen. Auf dieser Burg wird nicht geprügelt.«
Knurrend riss die Herzogin an dem Stock, doch der rührte sich nicht, genauso wenig wie ihr Arm.
»Gleich gebe ich den Stock wieder frei«, sagte Tiffany. »Sollten Sie noch einmal versuchen, jemanden damit zu schlagen, breche ich ihn entzwei. Und bitte denken Sie daran: Das ist keine Warnung, das ist eine Prophezeiung.«
Die Herzogin kochte vor Wut, aber anscheinend konnte sie in Tiffanys Miene etwas lesen, das selbst ihr in ihrer unerschütterlichen Dummheit zu denken gab. Sie ließ den Stock los, und er fiel klappernd zu Boden. »Das hat noch ein Nachspiel, du Hexengör.«
»Hexe reicht, gnädige Frau. Hexe reicht«, antwortete Tiffany, während die Herzogin bereits aus dem Saal rauschte.
»Kriegen wir jetzt Ärger?«, fragte Preston leise.
Tiffany schüttelte den Kopf. »Du nicht, lass das nur meine Sorge sein.« In Gedanken ergänzte sie: und die des Feldwebels. Um den werde ich mich schon kümmern. Als sie sich im Saal umblickte, wandten sich die Dienstboten verängstigt von ihr ab. Dabei war das gar keine Zauberei, dachte sie. Ich habe ihr nur standgehalten. Man darf nicht wanken und nicht weichen. Nicht in seinem eigenen Revier.
»Ich dachte schon, Sie verwandeln sie in eine Kakerlake und treten sie tot«, sagte Preston. »Hexen sollen so was ja
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