Das Mitternachtskleid
schwitzen wie ein Schwein, Fräulein.«
Tiffany, die noch dabei war, ihre zersplitterten Gedanken zusammenzuklauben, murmelte: »Meine Mutter hat immer gesagt, Pferde dampfen, Männer schwitzen, und Damen transpirieren …«
»Tatsache?«, sagte Preston fröhlich. »Tja, Fräulein, dann transpirieren Sie wie ein Schwein.«
Worauf die Küchenmägde, durch das Wüten der Köchin mit den Nerven völlig am Ende, in hysterisches Gekicher ausbrachen. Aber jedes Lachen war gesünder als dieser Unflat, was womöglich ganz in Prestons Sinne war.
Inzwischen hatte Frau Pamps sich von ihrem Stuhl hochgerappelt und drohte Tiffany mit dem Zeigefinger. Allerdings stand sie so wackelig auf den Beinen, dass sie – je nachdem, in welche Richtung sie schwankte – abwechselnd auch Preston, den Mägden oder dem Käseregal drohte.
»Du kannst mir nichts vormachen, du hinterhältiges kleines Luder«, knurrte sie. »Jeder weiß, dass du den alten Baron auf dem Gewissen hast! Die Pflegerin hat dich gesehen! Wie kannst du es wagen, dich überhaupt noch hier blicken zu lassen? Früher oder später machst du uns allen den Garaus, aber nicht, wenn ich es verhindern kann! Ich hoffe, der Erdboden tut sich auf und verschluckt dich!« Sie taumelte nach hinten. Ein dumpfes Dröhnen war zu hören, ein Poltern und ganz kurz – bis sie erstarben – die Anfänge eines Schreis, als die Köchin rückwärts in den Keller fiel.
10
Ein schmelzendes Mädchen
»Fräulein Weh, ich muss Sie auffordern, das Kreideland zu verlassen!«, sagte Roland, sein Gesicht eine hölzerne Maske.
»Niemals!«
Der Baron verzog keine Miene. Tiffany kannte seine Halsstarrigkeit, aber so stur wie heute hatte sie ihn noch nie erlebt. Die Herzogin hatte nicht nur darauf bestanden, bei der Befragung in der Studierstube zugegen zu sein, sondern auch noch zwei ihrer eigenen Wachen mitzubringen – zusätzlich zu den beiden Männern der Burgwache. Damit war der Raum so gut wie voll. In herzlicher Feindschaft verbunden duellierten sich die konkurrierenden Wachmannpärchen mit vernichtenden Blicken.
»Das ist mein Land, Fräulein Weh!«
»Und ich habe Rechte!«
Roland nickte, wie ein Richter. »Ich bin froh, dass Sie diesen Punkt ansprechen, Fräulein Weh. Bedauerlicherweise haben Sie hier nämlich überhaupt keine Rechte. Sie sind keine Pächterin, Sie sind keine Lehensfrau, Sie sind keine Grundeigentümerin. Kurz gesagt, Sie besitzen nichts, worauf sich irgendwelche Rechte gründen würden«, sagte er, ohne den Blick auch nur einmal von dem Bogen Kanzleipapier zu erheben, der vor ihm lag.
Blitzschnell streckte Tiffany die Hand aus und riss ihm das Blatt aus den Händen. Bevor die Wachen eingreifen konnten, saß sie wieder auf ihrem Stuhl. »Wie kannst du so mit mir sprechen, ohne mir dabei in die Augen zu sehen?!« Aber sie wusste, was seine Worte bedeuteten. Ihr Vater bewirtschaftete die Farm als Lehen. Er hatte Rechte. Sie hatte keine. »Du kannst mich nicht einfach wegjagen«, sagte sie. »Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.«
Roland seufzte. »Ich hatte wirklich gehofft, man könnte vernünftig mit Ihnen reden, Fräulein Weh, aber nachdem Sie jede Schuld von sich weisen, muss ich wohl deutlicher werden. Hier die Tatsachen: Punkt eins – Sie geben zu, dass Sie das Kind Amber Micker ihren Eltern entzogen und zu dem Elfenvolk verbracht haben, das in Erdhöhlen haust. Dachten Sie, das sei der richtige Aufenthaltsort für ein junges Mädchen? Laut Aussage meiner Männer herrscht dort eine regelrechte Schneckenplage.«
»Nicht so schnell, Roland – «
»Du wirst meinen zukünftigen Schwiegersohn mit ›Hochwohlgeboren‹ anreden«, blaffte die Herzogin.
»Und wenn nicht? Schlagen Sie mich dann mit Ihrem Stock, Durchlaucht? Machen Sie mir Feuer unterm Hintern? «
»Was unterstehst du dich!«, empörte sich die Herzogin mit flammendem Blick. »Und du, Roland, willst du es etwa zulassen, dass sich deine Gäste derart beleidigen lassen müssen?«
Seine Verwunderung wirkte echt. »Ich habe leider nicht die leiseste Ahnung, worum es hier eigentlich geht«, antwortete er.
Tiffany zeigte mit dem Finger auf die Herzogin, worauf deren Wachen zu den Waffen griffen, worauf die Wachen des Barons, um sich nicht ausstechen zu lassen, ebenfalls die Waffen zückten. Als die Schwerter endlich wieder auseinandersortiert und sicher verstaut waren, ging die Herzogin zum Gegenangriff über. »Du darfst dir eine solche Insubordination nicht bieten lassen, mein Junge! Du bist
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