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Das Mönchskraut

Das Mönchskraut

Titel: Das Mönchskraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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nicht in die Richtung des Pförtnerhauses. An der Straße nach St. Giles wohnten einige Leute, die er behandelt hatte, als sie krank gewesen waren, und er hatte dort schon so manches fiebernde Kind kuriert. Sicher würden sie einen jungen Mann aufnehmen, wenn er sie darum bat, doch der Gedanke, daß er sie dadurch in die Sache verwickeln würde, mißfiel ihm. Und am Ende der Straße stand das Lepra-Hospital von St. Giles, wo die jungen Brüder einen Teil ihres Noviziats abdienten, indem sie jene unglücklichen Menschen betreuten. Ja, es würden sich sicher Mittel und Wege finden, um Edwin zu schützen ...
    Cadfael wurde abrupt aus seinen Gedanken gerissen und horchte ungläubig auf, als sein Name genannt wurde. Bruder Jerome war von seinem Platz direkt neben dem Prior aufgestanden und erging sich in einem heftigen Wortschwall, die dünne Gestalt in täuschender Demut geneigt, die scharfen Augen in heiliger Milde halb geschlossen. Und soeben hatte er Bruder Cadfaels Namen in falscher Besorgnis und Zuneigung ausgesprochen.
    »... ich will nicht behaupten, daß das Benehmen unseres lieben, hochgeschätzten Bruders unschicklich war, mein Vater.
    Ich bitte dich nur, seiner Seele beizustehen, denn er ist in Gefahr. Wie mir zu Ohren gekommen ist, unterhielt Bruder Cadfael vor vielen Jahren eine irdische Beziehung zu der Dame, die jetzt Mistreß Bonel heißt und als Gast auf unserem Grund und Boden wohnt. Nach dem Tod ihres Mannes nahm er wieder Verbindung auf, was ich ihm keineswegs zur Last lege, denn es war seine Pflicht, dem Sterbenden beizustehen, an dessen Bett man ihn gerufen hatte. Aber bedenk doch, Vater-welch einer schweren Prüfung wird das Pflichtgefühl eines Mönches unterzogen, wenn er plötzlich wieder an längst vergessene weltliche Dinge erinnert wird!«
    Prior Roberts hochmütig erhobener Kopf und der emporgereckte Hals, der es ihm ermöglichte, aus noch erhabeneren Höhen auf den gefährdeten Bruder herabzublicken, ließen erkennen, daß er dies tatsächlich bedachte. Auch Cadfael begann die Lage zu sondieren, nachdem sein anfänglicher, staunender Zorn in kühles Begreifen übergegangen war. Er hatte Bruder Jeromes Frechheit ebenso unterschätzt wie seine Bosheit. Dieses große, knorpelige Ohr mußte sich ziemlich fest an Richildis'
    Schlüsselloch gepreßt haben, sonst hätte es nicht so viel erlauschen können.
    »Willst du andeuten«, fragte Robert entsetzt, »daß Bruder Cadfael ein unerlaubtes Gespräch mit einer Frau geführt hat?
    Bei welcher Gelegenheit? Wir alle wissen, daß er an Master Bonels Totenlager saß, daß er dem Unglücklichen nach besten Kräften zu helfen suchte und daß auch die bedauernswerte Ehefrau anwesend war. Und wir dürfen ihm wahrlich nicht übelnehmen, daß er seiner Pflicht Genüge tat.«
    Bruder Cadfael, an den man das Wort noch nicht gerichtet hatte, saß in grimmigem Schweigen da und wartete erst einmal ab, denn es war offensichtlich, daß dieser Angriff den Prior ebenso überrascht hatte wie ihn selbst.
    »O nein, das würde ihm keiner von uns vorwerfen«, beeilte sich Jerome zu beteuern. »Es war seine Christenpflicht, Master Bonel jene Hilfe zu gewähren, zu der ihn seine Kenntnisse befähigen. Aber soviel ich weiß, hat er die Witwe danach noch einmal besucht - erst gestern abend. Zweifellos wollte er die unglückliche Frau trösten. Aber ich brauche wohl nicht auf die Gefahren hinzuweisen, die in einer solchen Begegnung liegen, Vater! Gott bewahre mich vor dem Gedanken, daß ein Mann, der seine Verlobte an einen anderen verlor, in späteren Jahren, nachdem er der Welt entsagt hatte, beim Anblick der einst Geliebten von unheiliger Eifersucht gepackt werden könnte ...
    Nein, an so etwas wollen wir nicht denken!
    Aber wäre es nicht besser, unseren geliebten Bruder vor gewissen Versuchungen zu schützen? Ich sage das wirklich nur, weil mir sein Seelenheil am Herzen liegt.«
    Du sagst es, dachte Cadfael zähneknirschend, weil du jetzt endlich eine Waffe gegen den Mann gefunden hast, den du schon seit Jahren völlig wirkungslos mit deinem Haß verfolgst.
    Und wenn ich dir - Gott verzeihe mir - den dürren Hals umdrehen könnte, würde ich das mit Vergnügen tun.
    Cadfael erhob sich und trat vor, so daß ihn alle sehen konnten. »Hier bin ich Vater Prior, ich will dir Rede und Antwort stehen. Bruder Jeromes Sorge um mein Seelenheil ist ziemlich übertrieben, und ich versichere dir, daß es ungefährdet ist.«
    Prior Robert blickte ihn an, viel zu nachdenklich für

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