Das Mönchskraut
Cadfaels Geschmack. Natürlich würde der Klostervorstand jeden Verdacht, eines seiner Schäfchen könnte sich ungehörig benommen haben, im Keim ersticken und seine Mönche - um seines eigenen Ansehens willen - vor aller Welt verteidigen.
Andererseits würde er jede Gelegenheit begrüßen, die eigenmächtigen Aktivitäten eines Mannes einzuschränken, der ihm nie ganz geheuer gewesen war. Vielleicht, weil er in Cadfaels Unabhängigkeit einen gewissen Hang zu lebensfroher Satire entdeckt hatte ... Robert war nicht dumm, und es konnte ihm nicht entgangen sein, daß man ihm einreden wollte, Cadfael wäre angesichts seiner verflossenen Geliebten von Eifersucht übermannt worden und hätte den Rivalen kurzerhand aus dieser Welt entfernt. Wer kannte die Heilpflanzen besser als er, wer wußte besser, wie man sie anwenden und wie man sie dosieren mußte, um dieses oder jenes Ergebnis zu erzielen. Gott möge ihn vor einem solchen Gedanken schützen, hatte Jerome scheinheilig betont und im gleichen Atemzug genau diesen Gedanken ins Gehirn des Priors gepflanzt.
Es war zweifelhaft, ob Robert ernsthaft solche Überlegungen anstellen würde - jedenfalls konnte er es Jerome nicht übelnehmen, daß er ihn darauf gebracht hatte, denn der Schreiber machte sich nützlich und diente ihm unterwürfig wie eh und je. Außerdem ließ sich nicht bestreiten, daß alles möglich war. Cadfael hatte das Eisenhutöl hergestellt und kannte die Eigenschaften dieser Arznei. Er hätte sie nicht einmal heimlich beschaffen müssen, da er für die medizinischen Vorräte verantwortlich war. Und wie wollte man wissen, ob er dem Rebhuhn nicht jenes Gift beigemischt hatte, dessen mörderische Wirkung er später heuchlerisch bekämpft hatte?
Ich sah Aelfric über den Hof gehen, dachte Cadfael. Wie leicht hätte ich ihn aufhalten können, um ein paar Worte mit ihm zu wechseln und um den Deckel von der köstlich duftenden kleinen Schüssel zu heben. Und nachdem ich erfahren hatte, für wen die Speise bestimmt war, hätte ich noch ein Gewürz aus meiner eigenen Werkstatt hinzufügen können ... Aelfric hätte nur für einen kurzen Augenblick abgelenkt werden müssen - und schon wäre es geschehen ... Wie schnell man doch in einen Verdacht geraten kann, der sich nicht entkräften läßt ...
»Stimmt es, Bruder«, fragte Robert mit unheilvoller Stimme, »daß du in deiner Jugend, bevor du dein Gelübde ablegtest, eine intime Beziehung zu Mistreß Bonel hattest?«
»Das stimmt«, bekannte Cadfael freimütig, »falls du mit Intimität nichts weiter meinst als vertraute Nähe und Zuneigung.
Bevor ich an den Kreuzfahrten teilnahm, verlobten wir uns, und niemand wußte davon. Das war vor über vierzig Jahren, und in der Zwischenzeit habe ich sie nicht gesehen. Während meiner Abwesenheit hat sie geheiratet, und als ich von meiner Reise zurückkehrte, ging ich ins Kloster.« Je weniger er zu diesem Thema sagte, desto besser.
»Warum hast du diese Dinge nicht erwähnt, als von jener Vereinbarung mit den Bonels die Rede war?«
»Ich wußte nicht, wer Mistreß Bonel ist, bevor ich sie am Todestag ihres Mannes wiedersah. Der Name sagte mir nichts, und ich war nur über ihre erste Ehe informiert. Wie du weißt, wurden Bruder Edmund und ich in Master Bonels Haus gerufen, als er seinen Anfall bekam, und ich ging ahnungslos hin.«
»Das erkenne ich an«, erwiderte Robert salbungsvoll.
»Soweit ich es feststellen konnte, hast du dich dort ganz sicher einwandfrei und keineswegs unziemlich benommen.«
»Vater Prior!« warf Jerome hastig ein. »Ich wollte nicht andeuten, daß Bruder Cadfael sich in irgendeiner Weise vergangen hat ...« Das gedehnte Ende seines Satzes schien stumm die Worte ›noch nicht‹ hinzuzufügen. »Ich möchte ihn nur vor den Fallstricken der Versuchung bewahren. Der Teufel kann auch hinter christlicher Nächstenliebe lauern.«
Prior Robert fuhr fort, Cadfael eingehend zu mustern, und wenn er den Mönch auch nicht verurteilte - die erhobenen Brauen und die bebenden Nasenflügel verrieten seine Mißbilligung nur allzu deutlich. Kein Bewohner seines Klosters durfte zugeben, daß er eine Frau auch nur zur Kenntnis nahm, wenn es sich nicht um die Erfüllung einer Christenpflicht oder geschäftliche Dinge handelte. »Sicher war es gut und richtig, daß du dich um den kranken Master Bonel gekümmert hast, Bruder Cadfael. Aber ist es tatsächlich wahr, daß du die Witwe gestern abend besucht hast? Warum? Wenn sie Trost braucht, soll sie sich doch an
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