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Das Mönchskraut

Das Mönchskraut

Titel: Das Mönchskraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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an einem Mann gewesen, der durch keinerlei Extreme aufgefallen war - so sehr er Edwin auch zugesetzt haben mochte.
    »Bist du sicher? Hatte Bonel keinen Neffen oder Vetter irgendwo in dieser Grafschaft?«
    »Nein, sonst hätte er mir niemals versprochen, das Landgut meinem Sohn zu vermachen. Sein eigenes Fleisch und Blut war ihm sehr wichtig.«
    Cadfael hatte überlegt, daß irgend jemand geplant haben könnte, Bonel und Edwin mit einem Streich zu beseitigen, indem er ersteren ermordete und den Verdacht auf letzteren lenkte. Doch diese Möglichkeit schied offenbar aus. Außer Edwin gab es niemanden, der auf das Erbe hoffen durfte.
    Um Richildis zu trösten und zu ermutigen, legte Cadfael seine schwieligen Finger auf Richildis' schmale Hände und sah im Lichtschein mit wachsender Zärtlichkeit ihre angeschwollenen Gelenke und die bläulichen Adern auf dem Handrücken - Spuren der Jahre, die ihn stärker berührten als einst die mädchenhafte Glätte ihrer Haut. Auch ihr Gesicht war immer noch schön, trotz ihres Alters, und spiegelte das Glück eines erfüllten Lebens wider, das durch diese kurze Phase der Verzweiflung nicht beeinträchtigt wurde. Cadfael brauchte nur den Verlust seiner eigenen Jugend zu beklagen - und keine Mängel, die Richildis erlitten haben könnte. Sie hatte den richtigen Mann geheiratet, eine gute Ehe geführt und den Irrtum ihrer zweiten Ehe mit dem falschen Mann überstanden, ohne ernsthaften Schaden zu nehmen - vorausgesetzt, ihr Liebling wurde gerettet. Das - und nur das ist meine Aufgabe, dachte Cadfael dankbar.
    Die warmen Hände, die er berührte, drehten sich und umschlossen seine Finger. Tiefes Mitleid sprach aus ihren schönen Augen - und ein schlechtes Gewissen, mit dem sie sich selbst schmeichelte. »O Cadfael, warum hast du es so schwergenommen? Mußtest du ins Kloster gehen. Ich dachte so oft an dich - und wußte nicht, daß ich dir so weh getan hatte.
    Bitte, sag doch - hast du mir meinen Treuebruch verziehen?«
    »Es war meine Schuld«, versicherte er mit leicht übertriebener Herzlichkeit. »Ich habe dir immer nur das Beste gewünscht.«
    Er stand auf, und sie hielt seine Hände fest und erhob sich mit ihm. Sie war bezaubernd - aber gefährlich wie alle naiven Frauen.
    »Erinnerst du dich an unseren Verlobungsabend?« fragte sie in dem Flüsterton, der dieser späten Stunde angemessen war, aber auch intime Vertrautheit andeutete. »Damals war auch Dezember. Ich muß immer daran denken, seit ich weiß, daß du hier lebst - als Benediktinermönch! O Cadfael, wir hätten uns niemals träumen lassen, daß es so enden würde. Aber du warst so lange auf Reisen.«
    Jetzt war es wirklich an der Zeit zu gehen. Sanft entzog er ihr seine Hände und verabschiedete sich, bevor noch schlimmere Versuchungen an ihn herantreten konnten. Sollte sie ruhig glauben, daß ihn der Verlust ihrer Liebe ins Kloster getrieben hatte ... Diese Überzeugung würde ihr Kraft geben, bis sie wieder auf sicherem Boden stand. Und er selbst bereute nichts, denn er fühlte sich wohl in seiner schwarzen Kutte.
    Durch die Frostnacht kehrte er zurück in die Heimat, die er gewählt hatte, der er immer noch den Vorzug gab und die er stets lieben würde.
    Als er sich der Klosterpforte näherte, löste sich ein schmaler Schatten aus dem Dunkel hinter Richildis' Haus und folgte ihm, blieb dicht am Straßenrand, um sofort zwischen die Büsche zu gleiten, falls er sich umdrehte. Aber Cadfael blickte nicht zurück. Soeben hatte er die Gefahren kennengelernt, die in der symbolischen Version eines solchen Tuns lagen, außerdem war es nicht seine Art.

6. Kapitel
    Die Kapitelsitzung am nächsten Morgen versprach so langweilig wie immer zu werden, sobald Bruder Andrew seinen Vortrag beendet hatte und die geschäftlichen Diskussionen begannen. Trotzdem spitzte Cadfael, der hinter seiner Säule döste, die Ohren, als Bruder Matthew, der Kellermeister, von der randvollen Gästehalle und der Notwendigkeit sprach, in den Ställen Platz für die Pferde weiterer Reisender zu schaffen. Aus diesem Grund müßte man einige Pferde und Maultiere, die dem Kloster gehörten, woanders unterbringen. Zur Zeit waren viele Kaufleute unterwegs, die den milden Herbst nach der Belagerung und den Unruhen während des Sommers nutzten und vor dem Weihnachtsfest heimkehrten. Und edle Ritter suchten ihre Landsitze in der Grafschaft auf, um das Fest fern vom Waffenklirren im Süden zu begehen. Es ließ sich nicht leugnen, daß die klösterlichen Ställe

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