Das Mörderschiff
angestrahlt. Wir waren ungefähr vierzig Meter davon entfernt und lagen unbeweglich im Wasser. Die Maschinen liefen nur so stark, daß die Position des Bootes gegen den Wind und die Strömung gehalten wurde. Ab und zu suchte ein Scheinwerfer das dunkle Wasser in der Umgebung ab. Ich konnte keinen der Männer an Deck erkennen. Aber es brauchte mir auch keiner zu sagen, was sie taten. Sie warteten, die entsicherten Waffen in den Händen, und beobachteten. Ich konnte auch nichts vom Boot selbst sehen, aber ich mußte es, obgleich ich es nicht sehen konnte, auf jeden Fall wiedererkennen, sollte sich noch einmal die Möglichkeit bieten. Ich nahm das Messer aus dem Futteral hinter meinem Nacken und schnitt ein großes V in das untere Ende des Steuers. Zum erstenmal hörte ich jetzt Stimmen. Vier Stimmen, und es machte mir keine Schwierigkeiten, diese Stimmen zu erkennen. Wenn ich so alt würde wie Methusalem, keine dieser Stimmen könnte ich je vergessen.
»Nichts auf deiner Seite, Quinn?« Kapitän Imrie, der Mann, der auf der ›Nantesville‹ die Jagd nach mir organisiert hatte.
»Nichts, Kapitän.« Ich konnte fühlen, wie sich meine Haare im Nacken sträubten. Quinn, Durran. Der falsche Zollbeamte. Der Mann, der mich beinah, aber nicht ganz erdrosselt hatte.
»Wie sieht es auf deiner Seite aus, Jaques?« Wieder die Stimme des Kapitäns.
»Nichts, Sir.« Das war der Spezialist für Maschinengewehre. »Es sind jetzt acht Minuten vergangen, seit wir hier sind. Fünfzehn, seit sie untergegangen sind. Ein Mann müßte wirklich gute Lungen haben, um so lange unter Wasser zu bleiben, Kapitän.«
»Genug«, sagte Imrie, »jeder von uns wird eine extra Belohnung für die Arbeit heute nacht bekommen. Kramer?«
»Kapitän Imrie?« Eine Stimme, die genauso guttural klang wie die des Kapitäns.
»Volle Kraft voraus. Richtung auf den Sund.«
Ich stieß mich nach hinten ab und tauchte tief. Die Wasser über mir fingen in großen Blasen zu blubbern an und wurden gischtig. Ich blieb tief unten, vielleicht dreieinhalb Meter tief, und schwamm auf das Riff zu. Wie lange, weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall weniger als eine Minute. Meine Lungen waren noch nicht so leistungsfähig wie früher. Noch nicht einmal so, wie sie noch vor fünfzehn Minuten gewesen waren. Als ich nicht mehr konnte und auftauchte, hatte ich mir meine dunkle Ölhaut über den Kopf gezogen. Aber ich hätte nicht so vorsichtig zu sein brauchen. Ich konnte die schwach schimmernde Silhouette des Schiffes sehen, das sich schnell entfernte, sonst nichts. Die Scheinwerfer waren abgeschaltet. Wenn Kapitän Imrie auf dem Standpunkt stand, daß ein Job zu Ende war, dann war er zu Ende. Natürlich war das Boot vollkommen dunkel, nicht ein Navigationslicht oder Bordlicht war zu sehen.
Ich schwamm langsam auf das Riff zu, erreichte einen Felsen und hielt mich so lange daran fest, bis ich wieder genug Kraft hatte, um meiner schmerzenden Muskeln und meines erschöpften Körpers Herr zu werden. Ich hätte niemals geglaubt, daß fünfzehn Minuten einen Menschen so fertigmachen können. So ruhte ich mich ungefähr fünf Minuten aus. Ich hätte es auch leicht eine Stunde aushalten können, aber die Zeit arbeitete gegen mich. Ich tauchte wieder ins tiefe Wasser und machte mich auf den Weg zur Küste.
Dreimal versuchte ich es, und dreimal mißlang es mir, mich aus meinem Schlauchboot an Bord der ›Firecrest‹ zu ziehen. Es waren nur etwa anderthalb Meter, nicht mehr. Nur eineinhalb Meter. Ein zehnjähriges Kind hätte es schaffen können. Aber nicht Calvert. Calvert war ein alter Mann. Ich rief nach Hunslett, aber Hunslett kam nicht. Ich rief dreimal, aber er kam nicht. Die ›Firecrest‹ war dunkel und ruhig, ohne einen Laut. Wo, zum Teufel, war er? Schlief er? War er an Land gegangen? Nein, an Land war er nicht gegangen. Er hatte versprochen, an Bord zu bleiben, falls eine Nachricht von Onkel Arthur durchkommen sollte.
Dann schlief er wahrscheinlich fest in seiner Kabine! Ich fühlte, wie eine blinde, sinnlose Wut in mir aufstieg. Das war einfach zu viel, zu viel für das, was ich heute durchgemacht hatte. Er schlief! Ich schrie, so laut ich konnte, und hämmerte mit dem Griff meiner Luger kraftlos gegen die Stahlwand. Aber er kam nicht.
Beim viertenmal schaffte ich es. Ganz knapp, aber es ging. Das Bootstau des Dinghi in der Hand, lag ich ein paar Sekunden lang flach auf dem Bauch, und dann gelang es mir, mich aufzurichten. Ich machte das Bootstau fest und ging auf
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