Das mohnrote Meer - Roman
Sie auch, Babu Nob Kissin.«
Bei der Erwähnung dieses Namens schaute Zachary über die Schulter zurück und sah zu seiner Verwirrung, dass der Gumashta Serang Ali mit Beschlag belegt hatte und so verschwörerisch
und mit so vielen Blicken in seine Richtung mit ihm sprach, dass kaum ein Zweifel möglich war, worum es ging. Doch der Unmut darüber konnte ihm nicht die Freude daran verderben, Paulette noch einmal die Hand drücken zu dürfen. »Ich hoffe, wir sehen uns wieder, Miss Lambert«, sagte er leise, als er zögernd ihre Finger losließ.
»Das hoffe ich auch, Mr. Reid«, sagte sie und schlug die Augen nieder. »Es würde mich sehr freuen.«
Zachary blieb noch auf Deck, bis das Kaik außer Sicht war, und versuchte, sich Paulettes Züge, den Klang ihrer Stimme, den Duft ihres Haars einzuprägen. Etwas später fiel ihm ein, Serang Ali nach seinem Gespräch mit dem Gumashta zu befragen. »Was wollte denn dieser Mensch von dir – wie heißt er noch? Pander?«
Serang Ali knurrte verächtlich und spuckte im hohen Bogen über das Schanzkleid. »Der Dummbak hab Brei in Kopf«, sagte er. »Frag lauter dumm Zeug.«
»Was zum Beispiel?«
»Er frag: Malum Zikri gern trink Milch? Mag ghī. Hab klau Butter?«
»Butter?« Zachary fragte sich, ob der Gumashta nicht eine Art Ermittler war, der nach abhanden gekommenen Vorräten fahndete. Doch warum sollte er sich ausgerechnet mit Butter befassen? »Warum zum Teufel will er das wissen?«
Serang Ali klopfte sich mit den Knöcheln an den Kopf. »Viel frech Kerl, immer frag mehr.«
»Was hast du ihm gesagt?«
»Hab sag: Wie Malum Zikri kann trink Milch in Schiff? Wie kann fang Kuh auf See?«
»Und das war alles?«
Serang Ali schüttelte den Kopf. »Auch frag: Hab Malum mal wechsel Farb?«
»Ob ich schon mal die Farbe gewechselt habe?« Zachary ballte die Fäuste. »Was in aller Welt meint er damit?«
»Er frag: Manchmal Malum Zikri ferb blau, nein?«
»Und, was hast du gesagt?«
»Ich sag: Wie Malum kann ferb blau? Is Sahib, nein? Rosa, rot, kann mach – aber blau nix kann.«
»Warum stellt er all diese Fragen? Was hat er vor?«
»Immer mit Ruh«, sagte Serang Ali. »Mann ganz plemplem.«
Zachary schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht«, sagte er. »Vielleicht ist er gar nicht so plemplem, wie du denkst.«
Ditis Ahnung, dass ihr Mann nicht wieder würde arbeiten können, bestätigte sich bald. Hukam Singh war nach seinem Anfall in der Fabrik so geschwächt, dass er nicht einmal mehr protestieren konnte, als sie ihm seine Pfeife und die Opiumkassette wegnahm. Doch statt dass nun eine Besserung eingetreten wäre, bewirkte der Entzug eine dramatische Wendung zum Schlechteren: Hukam Singh konnte weder essen noch schlafen, und er beschmutzte sich so oft, dass sein Bett vor die Tür gestellt werden musste. Er blickte und murmelte wirr und wütend vor sich hin und verlor immer wieder das Bewusstsein. Hätte er die Kraft gehabt, das wusste Diti, hätte er nicht gezögert, sie umzubringen.
Eine Woche später war das Holi-Fest, aber in Ditis Haus kehrten weder Farbe noch Lachen ein. Hukam Singh lag delirierend auf seinem Bett, und sie brachte es nicht übers Herz hinauszugehen. In Chandan Singhs Haus jenseits der Felder tranken die Leute bhang und riefen: »Holī hai! « Diti schickte ihre Tochter hinüber, um sie an der Fröhlichkeit teilhaben zu lassen, aber selbst Kabutri war nicht in Feierstimmung und kam nach einer Stunde wieder zurück.
Um das Leiden ihres Mannes zu lindern, aber auch um sich selbst Mut zu machen, bemühte sich Diti, eine Therapie für ihn zu finden. Als Erstes ließ sie einen ojhā kommen, der böse Geister aus dem Haus vertreiben sollte, und als dies keine Wirkung zeigte, konsultierte sie einen Hakim, der ihr Unani-Medizin gab, und einen vaidya , der Ayurveda praktizierte. Die Ärzte saßen lange Stunden an Hukam Singhs Bett und verzehrten große Mengen satuā und dāl-pūrīs. Sie gruben ihre Fingerspitzen in die stockdünnen Handgelenke des Patienten und ließen sich lautstark darüber aus, wie bleich er sei. Sie verordneten teure, aus Blattgold und Elfenbeinspänen hergestellte Medikamente, für die Diti mehrere Armreife und Nasenringe verkaufen musste. Als der Erfolg ausblieb, sagten sie ihr im Vertrauen, dass Hukam Singh nicht mehr lange auf dieser Welt weilen werde; sie solle ihm den Übergang erleichtern und ihm etwas von dem Rauschgift geben, nach dem sein Körper sich verzehre. Aber Diti hatte beschlossen, ihm seine Pfeife nie mehr
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