Das Molekular-Café
Latiani?«
»Vor einer halben Stunde weggefahren. Heute kommt er
nicht mehr her.«
Rong riß die Tür auf. Das Kabinett war leer.
»Wo habt ihr Noda Storn hingebracht?«
Die Sekretärin sah ihn verwundert an. »Entschuldigen Sie,
Doktor Rong, aber ich verstehe nicht…«
»Stellen Sie sich nicht dumm! Wo habt ihr Noda Storn
hingebracht, frage ich!«
»Ich weiß es wirklich nicht. Vielleicht hat Herr Latiani…« Rong drohte ihr mit der Faust. »Na wartet, ich komm’ euch
schon auf die Schliche!«
Mit dem Fuß stieß er einen Stuhl beiseite und ging hinunter. Er mußte einen Entschluß fassen.
Es bestand kein Zweifel – Noda war aus dem Wege geräumt
worden, weil sie dem Geheimnis dieser Verbrecherbande auf
der Spur gewesen war. Nichts ist einfacher, als eine Frau,
deren Nervensystem durch ständigen Rauschgiftgenuß
zerrüttet ist, für geistesgestört zu erklären. Was Noda auch
sagte, alles ließ sich als Geschwätz einer Irren auslegen.
Schließlich vermochte sie keinerlei Beweise zu bringen. In die Kissen gelehnt, versuchte Rong die Gedanken in
seinem Kopf zu ordnen, der von dem Schlag noch immer
schmerzte.
Noda zu finden würde höchst schwierig sein. Sicherlich
hatte man sie unter falschem Namen in einer psychiatrischen
Klinik untergebracht. Aber selbst wenn es nicht so war, so
gaben medizinische Institutionen dieser Art nur sehr ungern
Auskunft über ihre Patienten. Wer war er auch, daß er solche Auskünfte fordern konnte? Soviel er wußte, hatte Noda keine Angehörigen. Er konnte ganz Donomag durchsuchen, ohne
auch nur das geringste zu erreichen.
Aber was sollte er tun, wenn er Noda nicht fand? Noch arbeitete die Maschine, brachte das Problem mit
jedem Tag seiner schrecklichen Lösung näher. Verdammt!
Wenn er den durchsichtigen Panzer durchdringen könnte! Rong dachte an die beiden Schildkröten, auf die Dorik ihn
aufmerksam gemacht hatte. Selbst wenn es ihm durch ein
Wunder gelang, eine Funktionsstörung herbeizuführen,
würden die beiden Schildkröten diese sofort beseitigen. Sie
brauchten ja nur ein Signal… Stopp: Das war vielleicht ein
Gedanke!
Vom angespannten Grübeln bedeckte sich Rongs Stirn mit
Schweißtröpfchen.
Wenn die Schildkröte das Signal erhält, daß ein Element
ausgefallen ist, muß sie sofort zur Havariestelle gehen und
das defekte Teil auswechseln. Wenn man es einrichten
könnte, daß das Ausbleiben des Signals sie dazu brächte, ein
intaktes Teil durch ein defektes zu ersetzen? Aber wie?
Vielleicht mußte man irgendwo in dem Schema einen
Eingangskontakt, auf Ausgang schalten. Wenn man die
Signalrichtung änderte, würde sich das
Selbstschutzprogramm der Maschine in Selbstmorddrang
verwandeln.
Über Rong knackte es, das grüne Signal leuchtete auf. Aha! Also weiter! Wie komme ich durch die Panzerwand,
um die Kontakte umzuschalten? Ich nicht, die beiden
Schildkröten müßten es tun. Hurra! Tüchtig, Rong! Ein
Glück, daß es zwei sind! Sollen sie sich gegenseitig die
Anschlüsse umschalten!
Die zahlreichen Relais über ihm knackten pausenlos. Das
Lämpchen leuchtete grün. Die Maschine interessierte sich sichtlich für diese Idee. Aber noch war nicht zu erkennen, ob
sie praktische Schlüsse daraus zog.
Rong trat hinaus auf den Korridor. Die Schildkröten waren
stehengeblieben und starrten einander mit roten Augen an.
Rong preßte sich an die Trennwand, sein Herz hämmerte. Ein paar Minuten vergingen, da begann die eine Schildkröte
die andere mit dünnen Spinnenbeinen abzutasten. Mit einer
blitzschnellen Bewegung riß sie ihr den Deckel ab… Alle Zweifel waren geschwunden. Die beiden Schildkröten
bewegten sich wieder längs der Maschine, nahmen zahlreiche
Kondensatoren und Widerstände heraus. Nach der
Schnelligkeit zu urteilen, mit der sie ihre Arbeit verrichteten,
würde in wenigen Stunden alles zu Ende sein. Rong grinste.
Ihm blieb hier nichts mehr zu tun.
Am nächsten Morgen eilte er in Latianis Kabinett. »Ah, Doktor Rong!« Ein spöttisches Lächeln spielte um
Latianis Lippen. »Ich darf Ihnen gratulieren. Mit Wirkung
von heute wird Ihr Gehalt um fünfhundert Soles erhöht. Ihre
Idee mit den Schildkröten hat es uns ermöglicht, die
Maschine noch unverletzlicher zu machen. Ich wundere
mich, daß wir die Möglichkeit einer solchen Sabotage nicht
vorausgesehen haben.«
Rong packte ihn an der Kehle, »‘raus mit der Sprache: Wo
habt ihr Noda Storn hingebracht?«
»Ruhig, Rong!« Latiani versetzte ihm einen heftigen Stoß,
der ihn in einen Sessel warf. »Ihrer Noda ist
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