Das Monopol
blaue Flamme, die sich langsam in die äußere Hülle des Schiffsrumpfes fraß. Die anderen hielten nervös nach Besatzungsmitgliedern der Rossija Ausschau.
»Wo bleibt Jagodas Team?«, murmelte Pink.
Sie begannen nahe am Heck, auf dem Mitteldeck des Schiffes. Alle waren sich einig, dass die Diamanten nicht in Bugnähe sein konnten, denn dieser Teil des Schiffes war starker Belastung durch das Eis ausgesetzt und bedurfte ständiger Wartung. Dasselbe galt vermutlich auch für das äußerste Heck, wo sich die Motoren befanden. Außerdem konnten die wertvollen Steine nicht an einer Stelle unterhalb des Wasserspiegels versteckt sein.
Zum Glück bot das Metall dem Schneidbrenner keinen nennenswerten Widerstand. In zwei Minuten hatte Chen bereits drei Viertel eines Kreises von dreißig Zentimeter Durchmesser herausgeschweißt. »Komm schon, komm schon«, murmelte er leise vor sich hin und blinzelte, weil ihm der Schweiß die Stirn herunterrann. »Okay.« Er drückte die Metallplatte nach innen und bog sie, bis eine große Öffnung entstanden war.
Pink holte die Kamera aus Krebskis Rucksack und schob den beleuchteten Schwenkarm in das Loch. Er suchte auf dem Nachtsichtschirm, wobei er den Schwenkarm mit einer Fernbedienung betätigte. »Nix. Versuchen wir’s ein Stück weiter vorn. Ich hoffe nur, dass Jagodas Leute bald kommen. Das hier kann die ganze Nacht dauern.«
»Nähern uns jetzt der Rossija«, meldete der Erste Offizier Fedorow auf der Brücke der Alexandr Newskij dem Kapitän. »Seltsam, dass sie uns noch nicht angefunkt hat.«
»Die beachten uns nicht weiter. Wir haben doch gemeldet, dass wir auf einer normalen Patrouille sind. Deshalb wollen die so wenig wie möglich mit uns zu tun haben.«
DRITTER TEIL
Der Schliff
»Nothing’s as precious as a hole in the ground.«
Midnight Oil, »Blue Sky Mine«
51.
Der Präsident
Oval Office
Weißes Haus
Washington, D. C., 9.17 Uhr
John Douglass, der als erster Afroamerikaner in das höchste Amt des Staates gewählt worden war, stand hinter seinem Schreibtisch, die Hände aufgestützt, als wäre der Tisch eine Kanzel, von der der ehemalige Heeresgeneral nach Beendigung seiner militärischen Laufbahn oft gepredigt hatte. Finster starrte er auf Randall Forbes hinunter.
»Wie konnten Sie das tun, ohne sich vorher mit mir abzusprechen? Und wie kamen Sie dazu, Zivilisten auszuschicken, ohne Unterstützung anzufordern? Keine SEALs, keine Eingreiftruppen? Haben Sie den Verstand verloren?«
»Mr President, ich …«
Douglass gebot ihm mit einer Handbewegung Schweigen. »Das Wichtigste zuerst. Wen haben wir in der Nähe?«
»Die Seawolf, Mr President. Sie gehört zu dem Flugzeugträger-Gefechtsverband, der in der nächsten Woche eine gemeinsame Übung mit der englischen Kriegsmarine veranstaltet. Im Augenblick befährt die Seawolf das Gebiet um Nowaja Semlja, wo die Russen ihre …«
»Ich weiß, wo Nowaja ist«, unterbrach der Präsident ihn schroff und drückte eine Taste seiner Gegensprechanlage. »Schicken Sie mir sofort Chuck herein!«
Es dauerte keine Minute, da betrat ein Colonel der Navy das Oval Office; kerzengerade stand er da in seiner schwarzen Uniform und salutierte. »Sir!« Es war deutlich zu sehen, dass der Oberste Befehlshaber der Streitkräfte, der Commander-in-Chief, zutiefst verärgert war.
»Die Seawolf, in der Nähe von Nowaja Semlja … sie muss sofort zu dieser Position fahren«, befahl Douglass. Dabei zeigte er auf Forbes, der dem Oberst ein Blatt reichte. »Sie soll ein paar Amerikaner aufnehmen; entweder von einem amerikanischen Frachter namens Claire Sailing oder von einem russischen Eisbrecher, der Rossija.« Douglass setzte sich, während der Colonel das Oval Office verließ.
»Ich kann nicht fassen, dass Sie das ohne meine Vollmacht getan haben.«
Forbes tanzte auf einem politischen Drahtseil. Er hatte den Präsidenten noch nicht informiert, dass Scott Fress ein Verräter war. Zweifellos wusste Douglass nichts über Fress’ verbrecherische Machenschaften mit Waterboer, doch wenn Forbes es ihm sagte – einem Präsidenten wie Douglass, der sich so fest auf seine engsten Berater verließ –, hätte er es genauso gut Scott Fress selber erzählen können. Forbes fand es gar nicht in Ordnung, seinem Regierungschef Informationen zu verschweigen, doch in diesem Fall war es eine Frage der Priorität: Fress wusste ja noch nicht, dass er unter Verdacht stand. Seine Bestechlichkeit war nicht der
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