Das Monster von Bozen
vorliegt, kann ich die Auszahlung anweisen, nicht wahr. Mensch, was bin ich erleichtert, dass du damit nichts zu tun hast.«
»Verkneif dir zukünftig derartige Unterstellungen, das schadet unserem Vertrauensverhältnis. Sobald unser Anteil in Liechtenstein ist, gibt es wieder Bares. Ich lege auf, ciao.« Keine Frage, von anderen in irgendeiner Weise abhängig zu sein, entsprach nicht seinem Stil. Nur alleine war er unschlagbar. Er würde sich nicht bloß einen Ersatz für diesen Dilettanten, sondern gleich ein neues Geschäftsmodell überlegen. Man konnte nie wissen.
***
Nachdem er von Achatz’ Tod erfahren hatte, hatte Gemini eine Dringlichkeitssitzung angesetzt. Der Super-GAU war eingetreten. Mit betretenen Gesichtern saßen die Berater der SSP im kleinen Besprechungsraum. Auch Hans-Georg Schimmel lehnte schwerfällig und schweigend in seinem Freischwinger. Lediglich Gemini war noch nicht da, er müsse noch mit einem Kunden telefonieren, hatte er gesagt.
Sabrina Parlotti, die aussah, als hätte sie die ganze Nacht nicht geschlafen, ergriff als Erste das Wort: »Ich kann das alles noch gar nicht begreifen. Die ganze Woche mit Rödderlink – nichts, Freitagabend im Hotel – nichts, bis zur Ursprungalm – nichts. Dann, auf einmal, wie aus heiterem Himmel, unfassbar.«
»Sabrina«, sagte Franco in beruhigendem Tonfall, »Arthur hatte schon einmal einen Herzinfarkt. Wir haben ihn gewarnt, sich nicht zu überschätzen. Es war eben ein Unglück.«
»Wie kannst du nur so herzlos daherreden?«
»Das hat nichts mit herzlos zu tun, aber ich merke, dass du dir Vorwürfe machst. Das musst du nicht. Es war allein Arthurs Entscheidung.«
Klaus Mantinger nickte. »Außerdem sind wir langsam gegangen, haben Pausen gemacht, seine schweren Sachen getragen. Er hatte höchstens drei Kilo auf dem Rücken. Und wir haben in all den Jahren bestimmt an die dreißig Touren gemacht. Der Arthur-Hartdegen-Weg ist zwar anspruchsvoll, aber so schlimm nun auch wieder nicht. Fabio hat recht. Es war ganz großes Pech.« Gerade als Parlotti zu einer Entgegnung ansetzen wollte, betrat Gemini den Raum.
Wie immer, wenn er erschien, verstummten alle Gespräche abrupt. Noch bevor er sich gesetzt hatte, eröffnete er ansatzlos einen kurzen Monolog. » Buongiorno, Kollegen, das ist heute ein unerfreulicher Anlass für ein Meeting. Ein tragischer Unglücksfall, menschlich ein Drama. Und auch, das möchte ich betonen, ein Drama für uns. Signor Achatz ist mit seinen Kontakten in Deutschland schlichtweg unersetzlich. Ich habe in unser Auftragsbuch geschaut, aber ich will es von Ihnen selbst hören. Wer hat welche Projekte laufen, welche sind beauftragt, wie hoch sind die Umsätze? Und womit war Achatz zuletzt beschäftigt?«
Nach einem Augenblick betretenen Schweigens holte Parlotti tief Luft: »Bitte entschuldigen Sie, Signor Gemini, finden Sie das nicht geschmacklos, richtig geschmacklos? Arthur ist vor zwei Tagen vor unseren Augen gestorben, und Sie denken an seine Projekte?«
Gemini blieb völlig ungerührt. »Signora Parlotti, Ihre menschlichen Regungen in allen Ehren. Glauben Sie mir, ich bin nicht weniger betroffen, aber ich habe ein Unternehmen zu führen, das Ihnen sichere Arbeitsplätze bietet. Unser Erfolg ist seit der Allianz mit Signor Achatz eng mit dessen Namen verknüpft. Und daher müssen wir uns schleunigst überlegen, wie es weitergeht. Also?«
Kühl und gelassen wie immer legte Mantinger in knapper Form dar, dass die SSP noch circa ein halbes Jahr ausgelastet sei.
»Gut«, sagte Gemini, »kein Grund, sich darauf auszuruhen. Wir werden dreierlei tun: Wir werden alle Kunden aus Deutschland über diesen Unglücksfall informieren, das übernehme ich persönlich. Sie, Signora Parlotti, Signor Junghans«, er nickte den beiden zu, »werden später nachtelefonieren und Ihre eigenen guten Kontakte für die Akquise nutzen. Sie, Signor Panzini, kümmern sich um unsere italienischen und französischen Kunden. Ich erwarte von Ihnen binnen der nächsten zwei Wochen einen Bericht. Jetzt gehen Sie wieder an Ihre Arbeit. Versuchen Sie, Achatz’ Tod so schnell wie möglich zu verarbeiten. Geschehen ist geschehen. Buongiorno .« Ohne eine Reaktion seiner Mitarbeiter abzuwarten, stand Gemini auf und verließ, gefolgt von Schimmel, den Raum.
Mantinger schüttelte den Kopf. »Ich weiß zwar, wie cool Gemini ist, aber dieser Auftritt war trotzdem verblüffend.«
»Ich finde, er hat recht«, entgegnete Junghans. »Wer hat etwas davon, wenn
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