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Das Monster von Bozen

Das Monster von Bozen

Titel: Das Monster von Bozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Rüth
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unser Laden den Bach runtergeht? Das wäre nicht in Arthurs Sinne. Also, ich kann das nachvollziehen. Und jetzt müssen wir eben einspringen.« Energisch stand er auf und verließ das Besprechungszimmer.

5
     
    Freitag, 26. Juni
     
    Die Woche in der Questura war ruhig verlaufen, so wie immer. Manchmal fragte sich Vincenzo, ob Bozen beruflich gesehen tatsächlich das Richtige für ihn war. Zwar konnte er sich nicht vorstellen, jemals seine Heimat zu verlassen, andererseits fehlte ihm die Herausforderung. Auf dem Klettersteig hatte er gefühlt, wie berauschend es war, bis an seine Grenzen zu gehen und darüber hinaus. Das hätte er gern auch in seinem Beruf erlebt. Aber da durfte er sich nichts vormachen. In einem Umfeld wie Bozen gehörte ein Handtaschendiebstahl schon zu den kriminellen Highlights. Ein Kapitalverbrechen würde er wohl kaum einmal aufklären können. In diesem Sinne hatte Gianna recht, wenn sie beharrlich betonte, dass Mailand für seine Karriere das bessere Umfeld bot. Heimat oder Karriere. Ihm war, als würde er aus diesem Teufelskreis niemals herauskommen.
    Er verließ die Questura in Richtung Bahnhof, um den Fünfzehn-Uhr-Zug nach Mailand nicht zu verpassen. Drei Wochen lang hatte er Gianna nicht gesehen, und er war gespannt und voller Vorfreude. Als er in seinem Abteil saß, überlegte er, was Gianna wohl für den heutigen Abend vorbereitet hatte. Sein Geburtstag fiel ihm ein, den er bei ihr in Mailand verbracht hatte.
    Gianna hatte eine Altbauwohnung in der Via Ancona, unweit der Basilica di San Simpliciano, einer der ältesten Kirchen Mailands. Als sie ihm damals öffnete, sah er, dass sie überall in der Wohnung Kerzen aufgestellt hatte. Es gab selbst gemachte Minestrone, Lamm mit Rosmarinkartoffeln, Zabaione nach einem Rezept ihrer Großmutter, schließlich eine verführerische Käseauswahl. Dazu einen phantastischen Barolo, Jahrgang 98.
    Nachdem sie den Tisch abgeräumt hatte, sagte Gianna zu ihm: »Das hast du morgen Abend vor, Vincenzo!«, und hielt ihm zwei Karten für »Aida« in der Scala vors Gesicht. Er wusste, wie schwierig es war, Karten für die Scala zu bekommen, und was sie kosteten, zumal Gianna die besten Plätze genommen hatte, mitten im Parkett. Als sie ihn herausfordernd ansah, gab er ihr einen langen, dankbaren Kuss, der immer leidenschaftlicher wurde. Erregt schob er die Hände unter ihre Bluse und streichelte ihre warme, glatte Haut. Sie zog ihn hoch, dann bugsierte sie ihn nachdrücklich ins Schlafzimmer.
    »Komm, mein schöner Kommissar, wir haben noch viel Zeit bis zur Aida. Du wirst es kaum glauben, ich habe immer noch Hunger – auf dich!« Als Gianna ihn auf ihr Bett warf und buchstäblich über ihn herfiel, wirbelte ihr blondes Haar, das sie offen trug, in wilden Strähnen über ihr Gesicht.
    Vincenzo liebte das. Der Gegensatz zu der strengen, unnahbaren Persönlichkeit, die sie mit den sonst meist hochgesteckten Haaren zeigte, machte ihn an.
    Er war noch nie einer Frau mit derart krassen Gegensätzen begegnet. In ihrem Beruf, der ihm ohnehin etwas suspekt war, gab sie sich sachlich, unterkühlt, manchmal abweisend. Das war auch so, wenn er sie in der Kanzlei anrief. Er fühlte sich dann oft abgefertigt und tat es daher ungern. Dann gab es diese andere Seite, leidenschaftlich, emotional, mit einem geradezu überschäumenden Temperament. Im Bett war sie genauso selbstbewusst wie im Beruf. Sie wusste, was sie wollte, und sie holte es sich.
    »Mein schöner Kommissar«, so hatte Gianna ihn von Anfang an genannt. Kennengelernt hatten sie sich vor gut einem Jahr, am 18. Mai in Mailand. Nach dem Fußballspiel AC Mailand gegen Udinese Calcio, das Mailand vier zu eins gewonnen hatte, war er mit seinem Freund noch in ein Café gegangen. Am Nachbartisch saß Gianna mit einer Freundin. Nach dem ersten Blickwechsel wusste Vincenzo, dass er diese Frau wollte. Ihre Miene verriet ihm, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte.
    Schon am nächsten Wochenende besuchte er sie in Mailand. Es war das erste und letzte Mal, dass er auf ihrem Wohnzimmersofa schlief. Bei der Verabschiedung küsste sie ihn, lächelte ihn an und sagte: »Mein schöner Kommissar.« Für ihn war es, von seiner Jugendliebe Teresa abgesehen, das erste Mal, dass eine Frau nicht bloß seine Phantasien, sondern auch seine Neugier weckte. Er wollte alles von ihr wissen, wie sie fühlte, wie sie dachte, wie sie tickte. Womit er ihr eine Freude machen konnte. Ihm war schon nach kurzer Zeit bewusst, dass er sich

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