Das Monster von Bozen
gesenktem Tonfall antwortete er: »Commissario, das geht nicht! Diese Unterlagen sind geheim!«
Vincenzo schüttelte den Kopf und hob mahnend den Zeigefinger. »Nicht, wenn wir in möglichen Mordfällen ermitteln, Signore.«
Entsetzt wich Mancini in seinem Bürostuhl zurück. »Mord? Oh, mein Gott!«
»Signore, würden Sie mir bitte jetzt die Kontoauszüge zeigen?«
Mancini erhob sich schwerfällig und holte einige Ordner aus einem Schrank. »Bitte sehr, behandeln Sie das bitte vertraulich.« Vincenzo blätterte in den Unterlagen. Er war perplex. »Wahnsinn! Da sind ja zig Millionen eingezahlt worden!«
»Commissario! Wenn ein Maschinenbauer oder Bauträger in Vorleistung tritt und sein Kunde dann nicht zahlt, geht es grundsätzlich um Millionen, nicht wahr.«
Vincenzo schloss den Ordner und gab ihn Mancini zurück. »Signor Mancini, gibt es andere Beratungsunternehmen, deren Kunden an diesen Fonds zahlen?«
»Äh, die würde es geben, wenn sie die entsprechende Klientel hätten, nicht wahr. Aber hier in Südtirol trifft das bloß auf die SSP zu. Alle anderen beraten nur kleine einheimische Firmen. Für die ist der Fonds nicht gedacht, nicht wahr. Dafür gibt es andere Förderprogramme, nicht wahr.«
Als sich Vincenzo verabschiedet hatte und aus dem Büro ging, ließ sich der Amtsleiter erschöpft auf seinen Schreibtischstuhl sinken.
Nachdenklich verließ Vincenzo das Amt. Hier ging es nicht mit rechten Dingen zu. Mancinis Nervosität war einfach zu auffällig gewesen. Auch die Tatsache, dass ausschließlich Kunden der SSP betroffen waren, war merkwürdig. Freilich, dieses Fondsmodell hatte was. Wenn man darüber nachdachte, war das eine sinnvolle Idee, nach dem Motto »Spare in der Zeit, dann hast du in der Not«. Doch darum ging es hier mit Sicherheit nicht. Er war gespannt, was ihm Ispettore Marzoli über die IFS berichten konnte.
***
Wieder hatten sie zusammengesessen und debattiert. Solche Sitzungen waren in dieser Situation unvermeidlich, aber entsetzlich langweilig. Wenigstens war bei der Polizei alles glattgelaufen. Sie begingen natürlich den Fehler, ihn zu unterschätzen. Das war einerseits ärgerlich, weil sie sein Genie nicht erkannten, andererseits erfreulich, weil sie auf diese Weise nichts erreichen würden. Was sollte man von dieser Provinzpolizei, für die eine Kneipenschlägerei schon ein kriminologisches Abenteuer war, schon erwarten. Aber dass sie tatsächlich so einfältig waren … Trotzdem, wie bisher konnte es nicht weitergehen.
Der Wicht, der war inzwischen das größte Problem. Nicht die Polizei, nicht der Herr Kommissar, den er anfangs als durchaus ernst zu nehmenden Gegner eingestuft hatte, sondern die Amöbe hatte sich zu einem Unsicherheitsfaktor entwickelt. Ein Genie sollte sich eben niemals mit niederem Getier abgeben. Nicht, dass er ihm ernsthaft gefährlich werden konnte. Sollte er ruhig Namen nennen, dann stünde Aussage gegen Aussage. Beweise gab es nur gegen den Wicht.
Dennoch, schon der damit verbundene Ärger bedeutete eine Einschränkung für ihn. Er konnte in nächster Zeit nicht einmal auf sein Boot, das wäre zu gefährlich. Momentan nützte ihm sein ganzer Luxus nichts, ebenso wenig wie die Gelder in Liechtenstein und Frankreich, immerhin einige Millionen. An das Geld kamen sie zwar vorläufig nicht ran, auf die Liechtensteiner war Verlass. Aber wenn sie lange genug bohrten und irgendwelche Zusammenhänge zwischen Achatz, Panzini und der IFS herstellten, könnte es tatsächlich passieren, dass die Konten zumindest vorübergehend gesperrt wurden. Das durfte nicht sein, auf keinen Fall! Außerdem brauchte er schleunigst das größere Boot, auf dem alten fühlte er sich immer beengter. Der BMW war auch schon viel zu alt, zu lahm, zu ordinär. Er liebäugelte mit einem Ferrari oder einem Maserati. Oder ein Aston Martin? Der würde seiner Persönlichkeit voll und ganz gerecht. Doch bis die Dinge endgültig geregelt waren, bis die polizeilichen Ermittlungen eingestellt wurden, musste er sich notgedrungen zurückhalten.
Es gab in der Tat noch einiges zu tun. Einerseits war es an der Zeit, das Geld umzuschichten, andererseits musste er sich um den Wicht kümmern. Er holte sein Zweithandy aus der Tasche und wählte die Nummer, die er niemals einspeicherte und nach jedem Telefonat wieder aus der Anrufliste löschte, die sich aber schon lange in seinem Gedächtnis eingegraben hatte, viel zu lange.
In diesem Augenblick ging auf einem Rechner in Augsburg an eine
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