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Das Monster von Moskau

Das Monster von Moskau

Titel: Das Monster von Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Ich schätzte sie auf ungefähr zehn Jahre. Sie war ein blasser Typ und hätte mit ihren rotblonden Haaren auch nach Irland gepasst. An den Seiten waren sie zu Zöpfen geflochten. Ihre Erscheinung erinnerte mich an ein Kind aus den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts.
    Sie trug einen blauen Stoffmantel, dicke Strümpfe und klobige Schuhe. Als sie und Valentin näher kamen und ich ihr Gesicht besser erkennen konnte, sah ich, dass sie geweint hatte.
    Der alte Valentin setzte sich, nachdem er uns einen sehr ernsten Blick zugeworfen hatte. Jetzt war der Unterschied zwischen den beiden nicht mehr so groß.
    Er legte die Hände des Mädchens fest in seine eigenen, drehte den Kopf und fing an zu sprechen, als er uns anschaute.
    Ich verstand ein paar Fragmente, was aber nicht ausreichte. Dafür beobachtete ich Karina Grischin, die nichts sagte, auf die beiden schaute und immer blasser wurde. Zuletzt konnte sie sich nicht mehr halten und schlug eine Hand gegen ihre Lippen.
    Es war schwer für mich, meine Ungeduld zu zügeln. Deshalb sprach ich sie an.
    »Was hat sie gesagt?«
    Karina drehte mir ihr Gesicht zu. Ihr Lippen bebten dabei. Ich sah ihr an, dass sie reden wollte, aber sie hatte dabei Probleme.
    Dann sprach sie doch.
    Ihre Aussagen hauten mich fast vom Hocker, und ich hatte den Eindruck, einzufrieren.
    »Sie heißt Wanja, die Kleine. Sie lebt bei ihrer Großmutter. Die Eltern arbeiten woanders und sind selten zu Haus. Wanja und ihre Großmutter haben Besuch vom Großvater bekommen. Nur ist der schon seit über einem Jahr tot...«
    ***
    Das war der Hammer!
    »Es geht los, John«, sagte Karina.
    Ich musste mich erst fangen, um etwas sagen zu können. »Ist Wanja denn sicher, dass es ihr Großvater gewesen ist?«
    »Ja, das ist sie. Das muss sie sein. Aber warte mal.« Karina sprach mit Valentin, der ihr auch antwortete. Schließlich wandte sie sich wieder an mich.
    »Ja, sie ist sich sicher. Sie hat ihn genau beschrieben. Er ist in ihr Haus gekommen.«
    »Und was hat er getan?«
    »Das weiß sie nicht. Sie ist sofort weggelaufen, um Valentin Bescheid zu geben.«
    »Warum gerade ihm?«
    »Er ist in diesem Ort so etwas wie eine Vertrauensperson. Zu ihm gehen viele hin, wenn sie Sorgen haben. Selbst die Kinder wissen Bescheid. Oder gerade sie. Es hat sich nichts geändert. Früher bin ich hingegangen, und das hat sich gehalten.«
    »Hat ihr Großvater etwas getan?«
    Karina hob die Schultern. »Das weiß ich nicht, John. Ich bin da völlig überfragt. Sie weiß es wohl auch nicht, weil ihr nichts anderes übrig blieb, als zu fliehen.«
    »Was sagt Valentin?«
    Karina schaute zu ihm hin. Er redete mit leiser Stimme auf das Kind ein. Sie wollte ihn nicht stören, denn Wanja brauchte jetzt die Zuwendung. »Ich denke, dass es Zeit für uns ist, der Großmutter einen Besuch abzustatten. Vielleicht haben wir ja Glück und finden den Großvater bei ihr.«
    »Das denke ich auch.«
    Karina wandte sich wieder an Valentin. Sie sprach schnell und beschwörend auf ihn ein.
    Der alte Mann blickte zu ihr hoch, hörte zu, nickte einige Male und strich Wanja über das blasse Haar. Danach redete er. Allerdings nicht viel. Nach ein paar Sätzen schon war Schluss.
    Karina winkte mir zu. Sie schaute erst gar nicht nach, ob ich ihr folgte, denn sie ging geradewegs auf die Treppe zu.
    »Was hat Valentin zu dir noch gesagt?«
    »Nichts weiter, aber es war sehr wichtig. Er hat mir den Weg zum Haus beschrieben.«
    ***
    Im Haus des alten Valentin hatte ich mich wohl gefühlt. Dieses Gefühl allerdings verging, als wir es verlassen hatten, im Freien standen und erneut die Kälte spürten. Unser Körper hatte sich bereits auf den Frühling eingestellt. Deshalb empfand ich die Kälte als besonders stark.
    Viel hatte sich nicht verändert. Nur der Himmel war etwas grauer geworden. Er sah aus, als hätte sich vor ihn eine große Decke gezogen, die keinen Anfang und kein Ende hatte.
    Karina hatte zwar die Beschreibung des Weges mitbekommen, aber sie musste sich zunächst orientieren. Wenn man so wollte, sah in diesem Kaff alles gleich aus.
    Auch jetzt sah ich kaum Menschen, als wir wieder auf die Hauptstraße zugingen. Den Volvo ließen wir stehen. Bei diesen kurzen Entfernungen waren wir zu Fuß ebenso schnell.
    Zwei Hunde schnüffelten an uns herum und verschwanden wieder. Irgendwo kreischte der Keilriemen eines Autos, das sich weigerte, schnell gestartet zu werden.
    Kurz vor der Hauptstraße blieb Karina stehen. Sie krauste die Stirn und nagte

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