Das Monster von Moskau
Nacht passieren wird. So genau hat sie sich nicht ausgelassen, aber alles deutet darauf hin, dass es so sein wird.«
»Und was passiert da?«
»Sie wollen beten. Sie alle haben in ihrem Leben gefehlt, aber wer hat das nicht. Nun halten sie ihre geisterhafte Totenmesse, um anschließend wieder in die Gräber zurückzukehren.« Karina setzte sich wieder. »Das ist ein unheimlicher Vorgang, John, das wissen wir selbst, aber den Menschen droht dabei keine Gefahr. Sie müssen keine Angst haben.«
»Und doch haben sie die!«
»Genau!«, bestätigte Karina.
»Warum?« Ich hatte die Frage gestellt, obwohl ich mir die Antwort denken konnte.
»Er ist da.«
»Kozak?«
»Ja«, sagte Karina leise. »Kozak, der Unheimliche. Der Angstmacher. Der Teufel, der Hexer, der Vampir. Er ist alles in einem. Er macht Jagd, er will Blut. Er ist jemand, der keine Ruhe findet. Er tauchte immer wieder auf. Nicht jedes Jahr, sondern in größeren Zwischenräumen. Er jagt den Menschen Angst ein. Er ist auch das Tier, der Wolf und so weiter. Er hat viele Namen...«, ihre Stimme senkte sich. »Und vielleicht ist er sogar der Teufel...«
Mehr sagte sie nicht. Karina brauchte eine Pause. Es war auch für sie schwer, die Informationen zu verarbeiten.
Ich beschäftigte mich ebenfalls damit. Das Monster von Moskau war also vieles in einer Person. Sogar als Teufel bezeichnete man es. Dann war er der Wolf, sogar ein Vampir, und ich fragte mich, woher er kam, denn letztendlich war er noch ein Mensch, so jedenfalls war er mir von Karina beschrieben worden. So hatte er sich auf der dünnen Eisschicht gezeigt, aber er konnte auch als Tier erscheinen.
»Da ist noch etwas«, sagte sie mit müder Stimme.
»Und was?«
»Ich habe gefragt wie eine Kriminalistin. Das musste ich tun, wenn du verstehst. Ich wollte wissen, warum die alte Frau sterben musste und keine andere Person aus dem Ort.«
»Hast du eine Antwort bekommen?«
»Ja, das habe ich. Wanja’s toter Großvater gehörte damals, als er noch lebte, zu den Menschen, die das Monster gejagt haben. Er schaffte es nicht. Er wurde selbst getötet, und seit dieser Zeit hat seine Seele keine Ruhe gefunden. Sie geistert durch ein Zwischenreich oder er geistert dadurch. Nur fühlt er sich in seinem Zustand ebenfalls noch für etwas verantwortlich. Er will die Menschen durch sein Erscheinen vor dem Monster warnen. Sie sollen wissen, dass es unterwegs ist, und ich bin sicher, dass es in dieser Nacht kommen wird.«
»Wie werden sich die Menschen dann verhalten?«, fragte ich.
»Ich habe keine Ahnung und hoffe nur, dass sie in ihren Häusern bleiben. Ich glaube auch, dass sie Bescheid wissen, aber da werden wir Valentin fragen können.«
»Ja, das denke ich auch.«
Sie erhob sich. »Mir tut nur Wanja Leid. Jetzt hat sie auch noch ihre Großmutter verloren. Hierher kann sie nicht mehr zurück, John. Ich denke, dass sich Valentin um sie kümmern wird.«
Karina kam zu mir und lehnte sich an mich. Ich spürte ihr leichtes Zittern. Sie war eine Frau, die sich durchsetzen konnte und es auch musste. Und das in einer von Männern beherrschten Welt, in der sie sich allerdings ihren Platz erobert hatte. Aber auch sie zeigte eine Schwäche, was nur menschlich war und sie noch sympathischer machte.
»Ich wünschte mir, dass dieser Fall bald vorbei ist, John. Zu viel menschliche Tragik. Mir geht das Kind nicht aus dem Kopf. Wanja ist jetzt eine zweifache Vollwaise. Ich empfinde es als furchtbar. Aber die Welt ist eben so wie sie ist.«
»Richtig.«
Karina lachte freudlos, als sie sich von mir löste. »Ich denke, wir sollten uns auf die Nacht vorbereiten. Wenn sie sich an der Kirche versammeln, sollten wir schon dort sein.«
»Genau das hatte ich vorschlagen wollen.«
»Um die Tote werden wir uns später kümmern. Ich werde mich dann mit den anderen Kollegen in Verbindung setzen. Bis dahin kann sie noch hier im Haus bleiben.«
Sie hatte auch in meinem Sinne gesprochen. Zwar wollten wir zur Kirche, aber zuvor mussten wir noch den alten Valentin besuchen und mit ihm über Wanja sprechen.
***
Als wir die Außentreppe seines Hauses hochschritten, empfing er uns vor der Tür, und wir sahen ihm an, dass etwas passiert sein musste. In seinem Gesicht bewegte sich nichts mehr, und er schaute uns entgegen, als wären wir fremd.
»Da stimmt etwas nicht«, sagte Karina. Sie ließ mich stehen und eilte auf Valentin zu.
Beide sprachen miteinander. Wieder kam ich mir ausgestoßen vor, aber ich achtete auf Zwischentöne
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