Das Monster von Moskau
Weise.
»Wir brauchen eine Entscheidung, John«, drängelte Karina. »Zu lange wollen wir nicht warten.«
»Ja, das ist schon okay.«
»Zur Kirche?«
Ich lächelte und nickte. »Vielleicht können wir uns dort ein Versteck suchen und alles beobachten. Und dann warte ich wirklich darauf, dass Kozak erscheint.«
Karina ballte eine Hand zur Faust. »Er wird, John, darauf kannst du dich verlassen...«
***
Valentin war in seinem ungewöhnlichen Haus allein zurückgeblieben. Er kam sich vor wie jemand, der in einen gewaltigen Ballon gesteckt worden war, doch jetzt war dieser Ballon geplatzt, und sein Inhalt stand im Freien, wo er zunächst einmal mit den neuen Gegebenheiten zurechtkommen musste, was auch für ihn nicht einfach war.
Es gab seine beiden Besucher nicht mehr. Und auch Wanja war verschwunden. Es lag natürlich auf der Hand, dass sie ein gemeinsames Ziel hatten, und Valentin nahm sich vor, ebenfalls zur Kirche zu gehen, aber noch nicht sofort. Er musste noch etwas erledigen.
Der erste Punkt fiel ihm leicht. In einem kleinen Schrank, den er selbst hergestellt hatte, bewahrte er etwas Bestimmtes auf, das in dieser Nacht noch sehr wichtig für ihn werden konnte.
Als er die Tür aufgezogen hatte und in das Fach hineinschaute, huschte ein Lächeln über seine Lippen.
Das Gefäß sah aus wie ein zu groß geratenes Ei aus Metall. Es zeigte eine bräunliche Farbe, und wer genauer hinschaute, der stellte fest, dass die beiden ovalen Hälften übereinander geschoben waren und auch so hielten.
Er nahm das Ei an sich und schüttelte es leicht. Seine Augen zeigten einen zufriedenen Ausdruck, als er das klatschende Geräusch hörte. Ja, das Wasser war noch vorhanden. Es war nicht verdunstet. Seine Befürchtung bewahrheitete sich nicht.
Es war nicht nur einfach ein Wasser, sondern eine besondere Flüssigkeit. Geweihtes Wasser aus einer Osternacht, die schon lange zurücklag. Valentin wusste sehr gut, dass finstere Mächte das Weihwasser hassten. Dass man Dämonen und böse Geister damit zurücktreiben konnte. Das hatten schon Generationen vor ihm so gehalten.
Er behielt das Ei in seinen Händen und schob die obere Hälfte in die Höhe, während er sie gleichzeitig drehte, sodass in der unteren Hälfte die zahlreichen Öffnungen am Rand zum Vorschein kamen. Wenn er das Ei schüttelte, würde das geweihte Wasser durch die Öffnungen spritzen und für eine Abwehr sorgen.
Er drehte das obere Oval wieder zu und steckte das Ei in die Tasche seiner weit geschnittenen Jacke. Aus einem großen Schrank holte er den Mantel und streifte ihn über. Das Kleidungsstück bestand aus dickem Stoff. Soldaten hatten früher diese Mäntel getragen, er ebenfalls in der Armee. Diese Zeiten waren zum Glück vorbei. Den Mantel hatte er als Erinnerungsstück behalten, und das Weihwasser-Ei verschwand jetzt in der rechten Tasche.
Jetzt war Valentin mit seinem Äußeren zufrieden. Nicht mit seinem Inneren. Er war alles andere als ein Hellseher, aber er wusste genau, dass die Nacht der Entscheidung bevorstand. Die Zeichen standen auf Sturm. Ein alter Fluch war zurückgekehrt oder die dunkle Seite des Schicksals. Grauenhafte Dinge würden passieren und waren schon passiert. Da brauchte er nur an die tote Zita zu denken.
Jetzt war Wanja allein. Der Tod hatte ihr die Großmutter genommen. Aber der Tod war kein unausweichbares Schicksal gewesen. Er war von einem Teufel herbeigeführt worden, dem das Handwerk gelegt werden musste. Das Monster durfte nicht länger existieren. Es musste zur Hölle geschickt werden, wo es hingehörte.
Er war froh darüber, nicht mehr allein zu stehen. Es war schon gut gewesen, Karina zu alarmieren. Sie hatte ihn vor allen Dingen nicht enttäuscht, und sie würde auch nicht aufgeben, davon war er ebenfalls fest überzeugt.
Als er sein Haus verließ und in die Kälte hineinging, kroch die Dämmerung in breiten Schatten über den Himmel und machte ihn noch grauer. Tagsüber hatte zumindest ein wenig die Sonne geschienen und für etwas höhere Temperaturen gesorgt. Das war jetzt vergessen. Er spürte den Druck der Kälte, der durch den Wind gebracht wurde. Der Mensch war auf den Frühling eingestellt. Da merkte er die Temperaturen doppelt unangenehm.
Valentin gehörte zu den Bewohnern, die man sehr respektierte und deren Rat immer gefragt war. Er wusste auf vieles Antworten, er gab gute Ratschläge, doch hätte man ihn zu diesem Zeitpunkt nach einer Lösung gefragt, hätte er sie auch nicht sagen können.
Sehr
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