Das Monster von Moskau
oft wurde er angesprochen, wenn er durch den Ort ging. An diesem frühen Abend war das nicht der Fall. Die Leute hier spürten, dass eine Veränderung bevorstand. Sie waren in den Häusern geblieben, saßen an den Kaminen und hofften, dass der Spuk Vorbeigehen würde, ohne dass sie in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Zumindest in den letzten Jahren war dies immer so gegangen. Nur hatte sich jetzt etwas verändert.
Kozak war wieder da!
Valentin knirschte mit den Zähnen, als er an ihn dachte. Eigentlich durfte es Kozak gar nicht geben. Er war eine Gestalt, mit der kleinen Kindern Angst gemacht wurde. Auch die Menschen, die über ihn sprachen, hatten ihn nie zuvor gesehen, denn seine Zeit lag 100 Jahre zurück.
Genau das war das Problem.
Wenn 100 Jahre vorbei waren, würde er zurückkehren an den Ort seiner Untaten!
Genau die waren jetzt um!
Und es war der Beweis erbracht worden, dass Kozak tatsächlich existierte. Das Böse hatte also Gestalt angenommen, und genau damit hatte Valentin seine Probleme.
Er schüttelte den Gedanken ab und dachte an die Geister der Toten, die sich in der Karwoche vor der Kirche versammelten. Auch darüber wussten die Menschen Bescheid, aber niemand hatte sie bisher gesehen oder hatte es zugeben wollen.
Wer mit dem Popen sprach, bekam auch keine Antworten und nur manch bedeutungsvollen Blick zugesandt, aus dem er alles Mögliche herauslesen konnte.
Es gab Kozak doch. Das alte Versprechen hatte sich erfüllt, und jetzt rechnete Valentin auch mit dem Erscheinen der Geister, wobei er sich fragte, ob man Geister sehen konnte. Eigentlich nicht, aber er hielt mittlerweile alles für möglich.
An der Kirche würde er den Beweis bekommen oder auch nicht. Jedenfalls war die Zeit der Entscheidung angebrochen.
Er ging nicht sofort zur Kirche. Sein erstes Ziel war das Haus, in dem Wanja lebte. Leider nicht mehr unter dem Schutz der Großmutter, denn hier hatte das Monster brutal zugeschlagen.
Valentin ging allein durch den Ort. Er saugte die Luft ein, er nahm den Geruch in sich auf, den der Rauch mitbrachte, der aus den Kaminen quoll. Er stieg nicht sehr hoch. Dicht über der Öffnung wurde er bereits platt gedrückt, ein Anzeichen dafür, dass ein Wetterwechsel bevorstand.
Es würde Schnee geben, wieder einmal. Der Rest war noch nicht weggetaut. Die Reste lagen als schmutzige Flecken auf den Feldern und Wiesen.
Langsam kam er seinem Ziel näher. In den meisten Häusern brannten die Lichter, nur im Haus der alten Zita nicht. Dunkel und abweisend lag es vor ihm.
Erst als er sich bis auf wenige Meter genähert hatte, sah er das schwache Licht. Es gab einen stumpfen Glanz ab, und Valentin blieb vor einem Fenster stehen, um ins Haus zu schauen.
Es sah leer aus. Er glaubte auch daran, bis er den Schatten sah, der sich bewegte. Er wurde nicht vom Licht erzeugt, sondern besaß einen anderen Antrieb.
Valentin ging davon aus, dass es sich um eine Person handelte, die aus irgendwelchen Gründen das Haus betreten hatte, um nach etwas zu schauen.
Er spürte ein leichtes Kribbeln auf dem Rücken. Es war so einfach, in das Haus hineinzugehen, aber es kostete ihn auch eine gewisse Überwindung, weil er nicht wusste, was ihn dort erwartete.
Einen Rückzieher machte er nicht. Er ging zur Tür, zog sie auf und blieb zunächst starr stehen, weil er die leise Stimme hörte. Er wartete. Schon sehr früh fand er heraus, dass die Stimme einer Frau gehörte. Sie sprach zu sich selbst, das war sein erster Eindruck. Wenn er allerdings genauer hinhörte, dann stellte er fest, dass dieses monotone Sprechen zu einem Gebet gehörte, das über die Lippen der Frau drang.
Eine Fremde war es bestimmt nicht. Valentin versuchte herauszufinden, wem die Stimme gehörte. Er ärgerte sich etwas, weil er es nicht schaffte und drückte die Tür so weit auf, dass er das Haus betreten konnte.
Im Kamin war das Feuer heruntergebrannt. Selbst ein Nachglühen des Holzes war nicht mehr zu sehen. Die Tür zum Schlafzimmer stand offen, und aus diesem Raum drang auch das schwache Licht, das von mehreren Kerzen abgegeben wurde.
Von allein hatten sie sich nicht entzündet. Für die Flammen musste eine Frau gesorgt haben, die im Schlafzimmer auf dem Boden kniete und unter ihre Knie ein Kissen gelegt hatte.
Vier Kerzen rahmten sie ein. Durch leichte Windzüge bewegten sich die Flammen, sodass sich zum Licht auch tanzende Schatten gesellten, die über den Boden zuckten.
Valentin, der die Schwelle kurz überschritt, blieb stehen. Für
Weitere Kostenlose Bücher