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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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zu beobachten, wie Peter sein weltberühmtes Post-Heraushol-Hundekunststück abzog. Er stützte die linke Vorderpfote an den Pfosten des Briefkastens und fing dann an, nach der Tür des Kastens zu schlagen. Joe Paulson, der Postbote, kannte Peter und ließ sie immer offen. Er bekam die Tür auf, aber dann verlor er das Gleichgewicht, bevor er die Post mit der Pfote heraushakeln konnte. Anderson zuckte etwas zusammen – bis zu diesem Jahr hatte Peter nie das Gleichgewicht verloren. Die Post zu holen, war sein Pièce de Résistance gewesen, besser, als einen toten Vietcong zu spielen oder etwas so Gewöhnliches wie Männchenmachen oder um einen Hundekuchen zu »bitten«. Es brachte jeden zum Staunen, der es sah, und Peter wusste das … aber neuerdings war das Ritual schmerzlich mit anzusehen. Anderson hatte dabei das gleiche Gefühl wie beim Anblick von Fred Astaire und Ginger Rogers, die so, wie sie heute waren, versuchten, eine ihrer alten Tanznummern vorzuführen.
    Es gelang dem Hund, wieder am Pfosten hochzukommen, und diesmal hakelte er die Post heraus – einen Katalog und einen Brief (oder eine Rechnung – ja, da das Monatsende
bevorstand, war es wahrscheinlich eine Rechnung) –, was ihm mit dem ersten Hieb seiner Pfote gelang. Sie fiel zu Boden, und während Peter sie aufhob, sah Anderson wieder auf ihre Skizze, und ermahnte sich, endlich damit aufzuhören, alle zwei Minuten für Peter die Totenglocke zu läuten. Heute Abend sah der Hund sogar halbwegs lebendig aus; es hatte Abende gegeben, da hatte er sich dreibis viermal auf die Hinterbeine aufrappeln müssen, bis es ihm gelang, die Post zu bekommen – die für gewöhnlich aus nicht mehr als einer Gratisprobe von Procter & Gamble oder einer Wurfsendung vom Kmart bestand.
    Anderson betrachtete die Skizze eingehend und schraffierte abwesend den Stamm der großen Fichte mit der gespaltenen Krone. Sie war nicht hundertprozentig akkurat … aber verdammt nahe dran. Sie hatte auf jeden Fall den Winkel des Dinges richtig hinbekommen.
    Sie malte ein Quadrat um das Ding herum, dann machte sie aus dem Quadrat einen Würfel … als wollte sie es isolieren. In ihrer Skizze war die Krümmung sehr deutlich, aber war sie wirklich da gewesen?
    Ja. Und das, was sie eine Metallplatte nannte – das war in Wirklichkeit eine Hülle, nicht? Eine glasglatte, nietenlose Hülle.
    Du verlierst den Verstand, Bobbi … das weißt du, oder?
    Peter kratzte an der Tür, um hereingelassen zu werden. Immer noch ihre Skizze betrachtend, ging Anderson zur Tür.
    Peter kam herein und ließ die Post auf einen Stuhl in der Diele fallen. Dann wanderte er langsam in die Küche, wahrscheinlich um nachzusehen, ob auf Andersons Teller noch etwas war, was er übersehen hatte.
    Anderson hob die beiden Poststücke auf und wischte sie am Bein ihrer Jeans ab, wobei sie leicht angeekelt das
Gesicht verzog. Sicher, es war ein guter Trick, aber Hundespucke auf der Post würde sie nie wirklich schätzen. Der Katalog war von Radio Shack – sie wollten ihr ein Textverarbeitungsgerät verkaufen. Die Rechnung war von Central Maine Power. Das ließ sie kurz wieder an Jim Gardener denken. Sie warf beides auf den Tisch in der Diele, ging zu ihrem Stuhl zurück, setzte sich, schlug eine neue Seite auf und kopierte rasch ihre ursprüngliche Skizze.
    Sie betrachtete den leichten Bogen stirnrunzelnd; er war wahrscheinlich eine Extrapolation – als hätte sie etwa zwölf oder vierzehn Fuß tief gegraben, und nicht nur vier. Na und? Ein wenig Vervollständigung störte sie nicht; verdammt, das gehörte zum Geschäft des Schriftstellers, und Leute, die der Meinung waren, sie stünde nur dem Science-Fiction – und Fantasy-Autor zu, hatten einfach nie durch das andere Ende des Fernrohrs gesehen, hatten nie vor dem Problem gestanden, weiße Flecken auszufüllen, die kein Geschichtsbuch liefern konnte – zum Beispiel, was mit den Leuten geschehen war, die Roanoke Island vor der Küste von North Carolina besiedelt hatten und dann einfach verschwunden waren, ohne eine Spur hinterlassen zu haben, abgesehen von dem unerklärlichen in einen Baum geschnitzten Wort CROATOAN; oder wie die Steinfiguren auf der Osterinsel entstanden; oder warum die Einwohner der kleinen Stadt Blessing in Utah an einem Tag im Sommer 1884 plötzlich offenbar alle verrückt geworden waren. Wenn man etwas nicht wusste, dann durfte man die Fantasie schweifen lassen – es sei denn, man fand etwas anderes heraus.
    Es gab eine Formel, mit der man den

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