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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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amüsant war – es war die von Dr. Klingerman, der das Seminar gehalten hatte. Sie belehrte sie mit dem unverzagten – wenn auch recht schrillen – Enthusiasmus des guten alten Klingy. Anderson lächelte und zündete sich eine Zigarette an. Sie rauchte heute Abend ein bisschen zu viel, aber die verdammten Dinger wurden sowieso trocken.
    1947 flog ein Captain der Luftwaffe namens Mantell zu hoch, während er eine fliegende Untertasse verfolgte – oder das, was er für eine fliegende Untertasse hielt. Er verlor das Bewusstsein. Sein Flugzeug stürzte ab. Mantell kam ums Leben. Er starb, weil er eine Reflexion der Venus auf einer hohen Wolkenbank verfolgte – mit anderen Worten, eine Nebensonne. Also gibt es Spiegelungen von Motten, Spiegelungen der Venus, und wahrscheinlich auch das Spiegelbild
in einem goldenen Auge, Bobbi, aber fliegende Untertassen gibt es nicht.
    Und was ist das Ding im Boden dann?
    Die Stimme des Dozenten verstummte. Sie wusste es nicht. An ihre Stelle trat Annes Stimme, die ihr zum dritten Mal sagte, dass sie so komisch im Kopf wurde, so verrückt wie Onkel Frank, die ihr sagte, dass sie bereits Maß nahmen für eine dieser Segeltuchjacken, die hinten verschlossen wurden; sie würden sie in die Irrenanstalt von Bangor oder die auf dem Juniper Hill schaffen, und da konnte sie dann von fliegenden Untertassen im Wald fantasieren, während sie Körbe flocht. Es war wahrhaftig Schwesterchens Stimme; sie konnte sie gleich jetzt anrufen und ihr sagen, was geschehen war, und diesen Vortrag kapitel – und versweise bekommen. Sie wusste es.
    Aber stimmte es?
    Nein. Es stimmte nicht. Anne würde das weitgehend einzelgängerische Leben ihrer Schwester immer mit Irrsinn gleichsetzen, einerlei, was Bobbi sagte oder tat. Und ja, die Vorstellung, dass das Ding in der Erde eine Art Raumschiff war, die war verrückt … aber war es auch verrückt, mit der Möglichkeit zu spielen, wenigstens so lange, bis sie widerlegt war? Anne würde das glauben, aber Bobbi glaubte es nicht. Es war nicht schlimm, sich einen offenen Verstand zu bewahren.
    Aber die Schnelligkeit, mit der ihr diese Vermutung gekommen war …
    Sie stand auf und ging hinein. Als sie sich zum letzten Mal an diesem Ding im Wald zu schaffen gemacht hatte, hatte sie zwölf Stunden geschlafen. Sie fragte sich, ob sie diesmal mit einem ähnlichen Schlafmarathon rechnen konnte. Weiß Gott, sie fühlte sich beinahe müde genug, um zwölf Stunden zu schlafen.

    Lass es in Ruhe, Bobbi. Es ist gefährlich.
    Aber das würde sie nicht, dachte sie und zog ihr OPUS-FOR-PRESIDENT-T-Shirt aus. Noch nicht.
    Das Problem des Alleinlebens, hatte sie herausgefunden – und der Grund, weshalb es den meisten Menschen, die sie kannte, nicht gefiel, allein zu sein, und sei es auch nur für kurze Zeit –, war, dass die Stimmen in der rechten Gehirnhälfte umso lauter wurden, je länger man allein lebte. Während die Maßstäbe der Vernunft in der Stille zu schrumpfen anfingen, baten diese Stimmen nicht nur um Aufmerksamkeit, sie forderten sie. Es war leicht, sich vor ihnen zu fürchten, zu denken, dass sie letzten Endes doch Wahnsinn bedeuten konnten.
    Anne würde das ganz sicher denken, dachte Bobbi und stieg ins Bett. Die Lampe warf einen sauberen und behaglichen Lichtkreis auf die Steppdecke, aber sie ließ die Abschlussarbeit, in der sie gelesen hatte, auf dem Boden liegen. Sie rechnete immer noch mit den Krämpfen, welche normalerweise ihre gelegentlich verfrühte und heftige Blutung begleiteten, aber bislang waren sie ausgeblieben. Nicht dass sie sehnlich darauf gewartet hätte, dass sie in Erscheinung traten …
    Sie verschränkte die Hände hinter dem Kopf und sah zur Decke empor.
    Du bist überhaupt nicht verrückt, Bobbi, dachte sie. Du denkst, dass Gard wunderlich wird, aber mit dir ist alles in Ordnung – ist das nicht auch ein Zeichen dafür, dass du spinnst? Es gibt sogar einen Namen dafür … Leugnen und Substituierung. »Mit mir ist alles in Ordnung, die Welt ist verrückt.«
    Stimmte alles. Aber sie fühlte sich immer noch im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte, und in einer Hinsicht war sie sich völlig sicher: Sie war in Haven geistig stabiler, als sie es in
Cleaves Mills gewesen war, und ganz sicher stabiler, als sie es in Utica gewesen war. Noch ein paar Jahre in Utica, noch ein paar Jahre in Schwesterchens Gesellschaft, und sie wäre total verrückt geworden. Anderson glaubte sogar, dass es Anne als Teil ihrer, was? – Arbeit ansah, nahe Verwandte

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