Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Edwinas Richtung warf, wurde ihre Tochter von einem neuerlichen hysterischen Anfall geschüttelt.
    Später an diesem Abend ging Ruth nach oben und betrachtete ihr Schulzimmer voll stummer Kinder (zu den »Kindern« gehörten so großmütterliche Gestalten wie Mrs. Beasley und Old Gammar Hood, aus dem, wenn man ihn umdrehte und etwas veränderte, der große böse Wolf wurde) und fragte sich, wie sie Edwina so viel Angst hatten einjagen können. Edwina selbst hatte es nicht erklären können, selbst die behutsamsten Fragen hatten lediglich zu neuen Entsetzensschreien geführt.
    »Ihr habt dieses Kind wirklich unglücklich gemacht«, sagte Ruth schließlich leise zu den Puppen. »Was habt ihr mit ihr angestellt?« Die Puppen sahen sie nur mit ihren Glasaugen, mit ihren Knopfaugen, ihren gestickten Augen an.
    »Und Hilly Brown traute sich auch nicht in ihre Nähe, als seine Mutter herüberkam, um sich den Kaufvertrag bestätigen zu lassen«, sagte Ralph hinter ihr. Sie drehte sich verblüfft um, dann lächelte sie.
    »Ja, Hilly auch«, sagte sie. Und es waren noch andere gewesen. Nicht viele, aber genug, um sie zu beunruhigen.
    »Kommt schon«, sagte Ralph und legte ihr einen Arm um die Taille. »Gesteht, ihr Bande. Welcher von euch Bösewichtern hat dem kleinen Mädchen Angst gemacht?«
    Die Puppen sahen ihn stumm an.
    Und einen Augenblick … nur einen Augenblick … spürte Ruth, wie sich Angst in ihrem Magen entrollte und an der Wirbelsäule hinauf fortpflanzte, wo sie die Rippen wie bei einem Knochenxylophon zum Erklingen brachte … dann war es vorbei.

    »Mach dir keine Sorgen, Ruthie«, sagte Ralph und drückte sie fester an sich. Wie immer regte sein Geruch sie ein wenig auf. Er küsste sie hart. Und sein Kuss war nicht das einzige Harte an ihm.
    »Bitte«, sagte sie ein wenig atemlos und unterbrach den Kuss. »Nicht vor den Kindern.«
    Er lachte und nahm sie in die Arme. »Wie wäre es dann vor den gesammelten Werken von Henry Steele Commager? «
    »Wunderbar«, keuchte sie und stellte fest, dass sie bereits zur Hälfte … nein, zu drei Vierteln … nein, vier Fünfteln … ausgezogen war.
    Er liebte sie heftig und mit großer Befriedigung für beide Seiten. All ihre Seiten. Der Augenblick der Angst war vergessen.
    Aber in diesem Jahr erinnerte sie sich am 19. Juli daran. Das Bild von Jesus hatte am 7. Juli angefangen, zu ’Becka Paulson zu sprechen. Am 19. Juli fingen Ruth McCauslands Puppen an, zu ihr zu sprechen.
    4
    Die Einwohner der Stadt waren überrascht, aber erfreut, als sich die Witwe zwei Jahre nach Ralphs Tod im Jahre 1972 um das Amt der Stadtpolizistin von Haven bewarb. Ein junger Bursche namens Mumphry trat gegen sie an. Dieser Bursche war ein Narr, darin waren sich die meisten einig, aber sie waren sich auch darin einig, dass er wahrscheinlich nichts dafür konnte; er war neu in der Stadt und wusste sich wahrscheinlich nicht zu benehmen. Diejenigen, die sich im Haven Lunch darüber unterhielten, stimmten
darin überein, dass er wahrscheinlich mehr ihr Mitleid als ihre Ablehnung verdient hatte. Er kandidierte als bekennender Demokrat, und seine Argumentation schien darauf hinauszulaufen, dass der gewählte Polizist Trunkenbolde, Verkehrssünder und Tunichtgute verhaften musste; von Zeit zu Zeit vielleicht sogar einen gefährlichen Kriminellen, den er dann ins County-Gefängnis schaffen musste. Die Bürger von Haven würden doch sicher keine Frau in so ein Amt wählen, Juristin oder nicht, oder?
    Genau das taten sie. Das Stimmenverhältnis war McCausland 407, Mumphry 9. Man konnte annehmen, dass zu den neun Stimmen seine eigene, die seiner Frau, seines Bruders und seines dreiundzwanzigjährigen Sohnes gehörten. Blieben fünf ungeklärte Stimmen. Niemand machte je ein Aufhebens darum, aber Ruth selbst vermutete immer, dass Mr. Moran draußen am südlichen Stadtrand vier Freunde hatte, von denen sie nichts wusste. Drei Monate nach der Wahl zogen Mumphry und seine Frau aus Haven weg. Sein Sohn, ein netter Bursche namens John, entschied sich zu bleiben, aber selbst nach vierzehn Jahren wurde er noch häufig als »der Neue« bezeichnet, etwa: »Dieser Neue, Mumphry, kommt heute Morgen vorbei, um sich die Haare schneiden zu lassen; erinnerst du dich noch, wie sein alter Herr gegen Ruth angetreten ist und böse die Hucke voll kriegte?« Seither hatte Ruth keinen Gegenkandidaten mehr gehabt.
    Die Stadtbewohner hatten ihre Kandidatur zutreffend als öffentliche Verlautbarung interpretiert, dass ihre

Weitere Kostenlose Bücher