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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Käferpisse mehr daran ist. Und bringen Sie mir sofort einen Sombrero.«
    »Ja, Madame«, sagte der Kellner und leckte sich die Lippen. Leute sahen herüber. Einige lächelten … aber sie hörten auf, wenn sie in Anne Andersons Augen sahen. Der Kellner entfernte sich, aber sie rief ihn zurück, ihre Stimme war laut, deutlich und unüberhörbar.
    »Ein Sombrero«, sagte sie, »enthält Kahlua und Sahne. Sahne. Wenn Sie mir einen Sombrero mit Milch bringen, Kumpel, dann werden Sie sich mit diesem Scheißding die Haare waschen.«
    Der Adamsapfel des Kellners hüpfte auf und ab wie ein Affe an einem Ast. Er versuchte, dieses aristokratische, mitleidige Lächeln heraufzubeschwören, welches die beste Waffe eines Kellners gegen vulgäre Kunden ist. Zu seiner Ehre sei gesagt, dass er den Anfang dieses Lächelns ziemlich gut hinbekam – dann krümmten sich Annes Mundwinkel zu einem Grinsen nach oben, die es auf der Stelle gefrieren ließen. In diesem Grinsen lag nichts Gutmütiges. In ihm lag so etwas wie Mordlust.
    »Ich meine es ernst, Kumpel«, sagte Anne leise, und der Kellner glaubte ihr.
    5
    Um neunzehn Uhr dreißig war sie wieder in ihrem Zimmer. Sie zog sich aus, streifte ein Nachthemd über und setzte sich an das Fenster im vierten Stock, um hinauszusehen. Trotz seines Namens lag das Cityscape Hotel in den Außenbezirken von Bangor. Die Aussicht, die sich Anne bot, bestand, abgesehen von den Lichtern des kleinen Parkplatzes, aus fast völliger Dunkelheit. Das war genau die Aussicht, die sie liebte.
    Sie hatte Amphetaminkapseln in der Handtasche. Anne nahm eine heraus, öffnete sie, schüttete das weiße Pulver auf ihren Schminkspiegel, zog mit einem ihrer kurz geschnittenen Nägel eine Linie und schnupfte die Hälfte davon. Sofort begann das Herz in ihrem schmalen Brustkorb zu rasen. Farbe erblühte in ihrem blassen Gesicht. Den Rest hob sie sich für den Morgen auf. Kurz nach dem ersten Schlaganfall ihres Vaters hatte sie damit angefangen, Aufputschmittel auf diese Weise zu benutzen. Jetzt konnte sie ohne eine Prise dieses Stoffes nicht mehr schlafen, obwohl es sich genau um das diametrale Gegenteil eines Sedativums handelte. Als sie ein kleines Mädchen gewesen war – ein sehr kleines Mädchen –, hatte ihre Mutter einmal in ihrer Verzweiflung ausgerufen: »Du bist so zwanghaft konträr, dass Käse bei dir abführt!«
    Anne vermutete, dass das damals gestimmt hatte und dass es auch jetzt noch stimmte … nicht dass ihre Mutter sich heute noch trauen würde, so etwas zu sagen, natürlich nicht.
    Anne sah zum Telefon und dann wieder weg. Wenn sie es nur ansah, musste sie an Bobbi denken und wie sie sich geweigert hatte, zu Vaters Beerdigung zu kommen – nicht mit Worten, sondern auf eine feige Weise, die typisch für
sie war, indem sie einfach weigerte auf Annes zunehmend drängendere Bemühungen mit ihr zu kommunizieren zu reagieren. In den vierundzwanzig Stunden nach dem Schlaganfall des alten Mistkerls, als offensichtlich wurde, dass er seinen Abgang machen würde, hatte sie zweimal angerufen. Beide Male war niemand ans Telefon gegangen.
    Nachdem ihr Vater gestorben war, hatte sie noch einmal angerufen diesmal am zweiten August um ein Uhr vier am Morgen. Irgendein Trunkenbold hatte abgenommen.
    »Ich hätte gern Roberta Anderson gesprochen, bitte«, sagte Anne. Sie stand steif am Münzfernsprecher in der Halle des Utica Soldiers’ Hospital. Ihre Mutter saß nicht weit entfernt auf einem Plastikstuhl, umringt von endlosen Brüdern und endlosen Schwestern mit ihren endlosen irischen Kartoffelgesichtern, und weinte und weinte und weinte. »Sofort.«
    »Bobbi?«, sagte die Stimme des Betrunkenen am anderen Ende. »Möchten Sie den alten Boss oder den Neuen und Verbesserten Boss?«
    »Lassen Sie den Quatsch, Gardener. Ihr Vater hat …«
    »Kann jetzt nicht mit Bobbi reden«, sagte der Betrunkene und – es war eindeutig Gardener, jetzt erkannte sie die Stimme – fiel ihr damit ins Wort.
    Anne machte die Augen zu. Es gab nur ein schlechtes Benehmen am Telefon, das ihr noch mehr missfiel, als wenn ihr jemand ins Wort fiel. »Sie ist mit der Polizei von Dallas im Schuppen. Sie werden alle noch Neuer und noch mehr Verbessert.«
    »Sie sagen ihr jetzt, dass ihre Schwester Anne …«
    Klick!
    Trockene Wut verwandelte die Wände ihrer Kehle in warmes Flanell. Sie hielt den Hörer von sich und sah ihn an, wie jemand eine Schlange ansehen würde, die ihn gebissen
hat. Ihre Fingernägel waren weiß und wurden langsam

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