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Das Monstrum

Das Monstrum

Titel: Das Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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purpurn.
    Das Benehmen am Telefon, das sie am meisten hasste, war, wenn einfach aufgelegt wurde.
    6
    Sie hatte auf der Stelle neu gewählt, aber diesmal gab das Telefon nach einer langen Pause ein sirenenähnliches Geräusch von sich. Sie legte auf und ging zu ihrer weinenden Mutter und deren kartoffelartigen Verwandten.
    »Bist du durchgekommen, Schwesterchen?«, fragte ihre Mutter.
    »Ja.«
    »Was hat sie gesagt?« Ihre Augen flehten Anne um gute Nachrichten an. »Hat sie gesagt, dass sie zu seiner Beerdigung nach Hause kommen wird?«
    »Ich konnte sie nicht dazu bringen, sich eindeutig festzulegen«, sagte Anne, und plötzlich brach ihre Wut auf Roberta – Roberta, die die Dreistigkeit besessen hatte, ihr entkommen zu wollen –, brach plötzlich aus ihrem Herzen, aber nicht in schriller Form. Anne würde niemals still oder schrill sein. Das haiähnliche Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. Die murmelnden Verwandten wurden still und sahen Anne unbehaglich an. Zwei der alten Damen umklammerten ihre Rosenkränze. »Sie hat gesagt, sie wäre froh , dass der alte Mistkerl tot ist. Dann hat sie gelacht. Dann hat sie aufgelegt.«
    Es folgte ein Augenblick fassungslosen Schweigens. Dann presste Paula Anderson die Hände auf die Ohren und fing an zu kreischen.
    7
    Anne hegte keinen Zweifel daran – zumindest zuerst nicht –, dass Bobbi bei der Beerdigung sein würde. Anne wollte, dass sie dabei war: Also würde sie dabei sein. Anne bekam immer alles, was sie wollte; das machte die Welt angenehm für sie, und so sollte es sein. Wenn Roberta kam, würde sie mit der Lüge konfrontiert werden, die Anne erzählt hatte – wahrscheinlich nicht von ihrer Mutter, die würde zu erbärmlich glücklich sein, sie zu sehen, um es zu erwähnen (vielleicht sogar, um sich daran zu erinnern), aber sicher von einem der Kartoffelonkel. Bobbi würde es bestreiten, daher würde der Kartoffelonkel es wahrscheinlich auf sich beruhen lassen – es sei denn, der Kartoffelonkel war zufällig sehr betrunken, was bei Mamas Brüdern immer gut möglich war –, aber sie würden sich an Annes Behauptung erinnern, nicht an Bobbis Leugnen.
    Das war gut. Sogar prächtig. Aber nicht genug. Es war an der Zeit – überfällig –, dass Roberta nach Hause kam. Nicht nur zu der Beerdigung; für immer.
    Sie würde schon dafür sorgen. Überlasst das mal Schwesterchen.
    8
    In dieser Nacht im Cityscape Hotel fiel Anne das Einschlafen nicht leicht. Teilweise lag es daran, dass sie in einem fremden Bett schlafen musste; teilweise lag es am dumpfen Murmeln der Fernsehgeräte in den umliegenden Zimmern und dem Gefühl, von anderen Menschen umgeben zu sein, nur eine weitere Biene zu sein, die sich bemühte,
in einer von vielen Kammern dieses Stocks einzuschlafen, wo die Waben rechteckig statt sechseckig waren; teilweise lag es an dem Wissen, dass morgen ein überaus geschäftiger Tag sein würde; am meisten jedoch lag es an der unablässig dumpfen Wut darüber, dass man ihr auswich. Das nämlich hasste sie mehr als alles andere – es reduzierte die Belästigungen hier zu unbedeutendem Gequatsche. Bobbi war ihr ausgewichen. Bisher war sie ihr völlig und vollkommen ausgewichen und hatte damit diese dumme Reise notwendig gemacht, und das in der, wie die Wetterberichte es ankündigten, schlimmsten Hitzewelle in Neuengland seit 1974.
    Eine Stunde nach der Lüge über Bobbi, die sie ihrer Mutter und den Kartoffelonkeln und – tanten erzählt hatte, hatte sie erneut versucht anzurufen, diesmal vom Bestattungsunternehmer aus (ihre Mutter war schon längst nach Hause getattert, wo sie, vermutete Anne, mit ihrer Schwester Betty, dieser alten Fotze, dasitzen würde, beide diesen beschissenen französischen Rotwein süffelnd und über den Verstorbenen flennend, während sie sich volllaufen ließen). Sie hörte wieder nichts als dieses sirenenartige Geräusch. Sie rief das Amt an und meldete eine Störung in der Leitung.
    »Ich will von Ihnen, dass Sie den Fehler suchen, finden und zusehen, dass er beseitigt wird«, sagte Anne. »Es hat einen Todesfall in der Familie gegeben, und ich muss meine Schwester schnellstmöglich erreichen.«
    »Ja, Ma’am, wenn Sie mir die Nummer geben, von der Sie anrufen …«
    »Ich rufe vom Bestattungsunternehmen an«, sagte Anne. »Ich werde einen Sarg für meinen Vater aussuchen und dann zu Bett gehen. Ich rufe morgen früh wieder an. Und sehen Sie zu, dass mein Anruf dann auch durchkommt, Schätzchen.«

    Sie legte auf und wandte sich an

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