Das Monstrum
auch, dass er nicht dorthin gehen konnte. Noch nicht.
Vorher musste er noch etwas im Schuppen erledigen.
Er gelangte bis auf die Veranda, wo er und Bobbi bis spät in so viele Sommernächte hinein gesessen hatten, während
Peter auf den Bohlen zwischen ihnen schlief. Sie hatten einfach hier gesessen und Bier getrunken, und die Red Sox hatten ihre nächtlichen neun Innings im Fenway oder Comiskey Park oder sonst wo abgezogen, auf jeden Fall aber immer in Bobbis Radio; winzige Baseballspieler, die zwischen Röhren und Transistoren herumrannten. Sie hatten hier gesessen und Bierdosen in einem Eimer voll kaltem Brunnenwasser gekühlt. Hatten über das Leben, den Tod, Gott, Politik, Liebe und Literatur gesprochen. Vielleicht sogar einmal oder zweimal über die Möglichkeit von Leben auf anderen Planeten. Gardener glaubte, sich an ein oder zwei solcher Gespräche zu erinnern, aber vielleicht spielte ihm lediglich sein müder Verstand einen Streich. Hier waren sie glücklich gewesen. Das schien schon sehr lange her zu sein.
Es war Peter, auf den sich sein übermüdeter Verstand jetzt konzentrierte. Peter war das erste Ziel, das erste Möbelstück, zu dem er hüpfen musste. Das stimmte nicht ganz – bevor er versuchen konnte, den Hund von seinem Leiden zu erlösen, musste er versuchen, David Brown zu retten, aber David Brown lieferte ihm nicht den emotionalen Rückhalt, den er brauchte; er hatte David Brown in seinem ganzen Leben nicht gesehen. Bei Peter war das anders.
»Guter, alter Peter«, sagte er in den stillen, heißen Nachmittag hinein (war es schon Nachmittag? Bei Gott, das war es). Er kam bis zur Verandatreppe, und dann ereilte ihn die Katastrophe. Er verlor plötzlich die Balance. Er verlagerte das Gewicht auf den verletzten Knöchel. Diesmal konnte er beinahe sehen, wie sich die gesplitterten Knochenbruchstücke aneinander rieben. Gardener stieß einen spitzen, hohen Laut aus – nicht den Schrei einer Frau, sondern den eines sehr jungen Mädchens in Todesangst. Er griff nach dem Verandageländer, während er zur Seite kippte.
In der hektischen Zeit Anfang Juli hatte Bobbi das Geländer zwischen Küche und Keller ausgebessert, aber um das zwischen Veranda und Hof hatte sie sich nie gekümmert. Es war schon seit Jahren morsch, und als Gard sich daran klammerte, zersplitterten beide Pfosten. Uralter Holzstaub puffte ins herbstliche Sonnenlicht … zusammen mit den Köpfen einiger verblüffter Termiten. Gard kippte seitlich von der Veranda, wimmerte kläglich und landete mit einem fleischigen Platschen auf dem Hof. Er versuchte aufzustehen, dann fragte er sich, warum er es versuchte. Die Welt schwankte vor seinen Augen. Er sah erst zwei Briefkästen, dann drei. Er beschloss, die ganze Sache zu vergessen und zu schlafen. Er machte die Augen zu.
5
In diesem langen, seltsamen und schmerzvollen Traum, den er hatte, sah/fühlte Ev Hillman Gardener fallen und hörte Gardeners Gedanken
(vergiss die ganze Sache und schlaf)
klar und deutlich. Dann zerbrach der Traum, und das war gut; es war schwer zu träumen. Es bereitete ihm überall Schmerzen, tat ihm weh. Und es tat weh, gegen das grüne Licht zu kämpfen. Wenn Sonnenlicht zu hell war
(er erinnerte sich ein wenig an Sonnenlicht)
konnte man die Augen zumachen, aber das grüne Licht war innen , immerzu innen – ein drittes Auge, das sah, und ein grünes Licht, das brannte. Es waren noch andere denkende Gehirne hier. Eines gehörte der FRAU, das andere dem GERINGEREN VERSTAND , der einst Peter gewesen war. Jetzt konnte der GERINGERE VERSTAND nur noch heulen.
Manchmal heulte er, dass BOBBI kommen und ihn von dem grünen Licht befreien sollte … aber meistens heulte er, weil er die Qualen des Aussaugens ertragen musste. Die FRAU kreischte ebenfalls nach Befreiung, aber manchmal wurden ihre Gedanken zu widerwärtigen Bildern des Hasses, die Ev kaum ertragen konnte. Also: ja. Besser
(besser)
zu schlafen
(leichter)
Und einfach loszulassen …
… aber da war David.
David starb. Seine Gedanken – die Ev anfangs deutlich empfangen hatte – wurden bereits zu einer enger werdenden Spirale, die zur Bewusstlosigkeit führen würde und dann rasch zum Tod.
Also kämpfte Ev gegen die Dunkelheit an.
Kämpfte dagegen an und fing an zu rufen:
»Steh auf! Steh auf! Du da draußen im Sonnenlicht! Ich erinnere mich an Sonnenlicht! David Brown verdient seine Zeit im Sonnenlicht. Also steh auf! Steh auf! Steh auf! STEH
6
AUF STEH AUF STEH AUF!
Der Gedanke war ein
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