Das Monstrum
sondern auch hören,
aber was er hörte, war noch viel beunruhigender als dieses gespenstische blaue Feuer. Es war Peter. Peter heulte. Bobbi reagierte nicht darauf, und das war überhaupt nicht ihre Art. Sie beschäftigte sich nur mit dem Kabelgewirr, ordnete sie so an, dass sie etwas bewirken mussten, dort unten, in dem nach Wurzeln riechenden Dunkel des Kellers …
Die Vision zerbrach an anschwellenden Stimmen.
Die Gesichter, welche zu diesen Stimmen gehörten, waren jetzt nicht mehr weiße Löcher im Universum, sondern die Gesichter echter Menschen; einige waren amüsiert (aber nicht viele), wenige andere eher verlegen, aber die meisten schienen bestürzt oder beunruhigt zu sein. Mit anderen Worten, die meisten sahen so aus, wie auch er ausgesehen hätte, wenn er mit einem dort unten den Platz getauscht hätte. Hatte er Angst vor ihnen gehabt? Hatte er das? Wenn ja, warum?
Nur Patricia McCardle passte nicht in dieses Bild. Sie sah ihn mit einer stillen, sicheren Zufriedenheit an, die ihn wieder ganz zurückbrachte.
Plötzlich sprach Gardener zum Publikum, und er war überrascht, wie natürlich und angenehm sich seine Stimme anhörte. »Es tut mir leid. Bitte entschuldigen Sie. Ich habe hier eine Anzahl neuer Gedichte, und ich fürchte, ich habe mich zwischen ihnen verloren.« Pause. Lächeln. Jetzt konnte er sehen, wie sich einige der Besorgten erleichtert zurücklehnten. Ein wenig Gelächter wurde laut, aber es war verständnisvoll. Aber er konnte die Zornesröte auf Patricia McCardles Wangen erblühen sehen, und das tat seinen Kopfschmerzen enorm gut.
»Eigentlich«, fuhr er fort, »entspricht auch das nicht ganz der Wahrheit. In Wirklichkeit habe ich versucht, mich zu entscheiden, ob ich Ihnen einige dieser neuen Sachen vorlesen soll oder nicht. Nach ein paar kurzen Sparrings-Matches
zwischen den beiden kolossalen Schwergewichtlern Autorenstolz und Vernunft hat die Vernunft knapp nach Punkten gewonnen. Autorenstolz hat sich geschworen, die Entscheidung anzufechten …«
Weiteres Gelächter, diesmal herzlicher. Nun sahen die Wangen der alten Patty aus wie das Feuer in seinem Küchenherd durch das kleine Fenster aus feuerfestem Glas in einer kalten Winternacht. Sie hatte die Hände ineinander verschränkt, die Knöchel traten weiß hervor. Sie fletschte fast die Zähne, aber, liebe Freunde und Kupferstecher, halt nur fast. »Bis dahin habe ich mich entschlossen, mit einem ziemlich gefährlichen Unterfangen zu enden. Ich werde Ihnen ein längeres Gedicht aus meinem ersten Buch, Grimoire, vorlesen.«
Er blinzelte in Patricia McCardles Richtung, dann bezog er sie alle in seine humorvolle Zuversicht ein. »Gott hasst Feiglinge, richtig?«
Ron hinter ihm lachte hell auf, und dann lachten sie alle, und einen Augenblick sah er tatsächlich das Schimmern von Perlweiß hinter den verkniffenen, wütenden Lippen und Mannomann, mehr konnte man doch wirklich nicht verlangen.
Nimm dich vor ihr in Acht, Gard. Du glaubst, dass du ihr den Stiefel in den Nacken gesetzt hast, und im Augenblick stimmt das vielleicht sogar, aber nimm dich vor ihr in Acht. Sie wird es nicht vergessen.
Oder vergeben.
Aber das war etwas für später. Jetzt öffnete er das zerlesene Exemplar seines ersten Gedichtbandes. Er musste nicht nach »Leighton Street« suchen, das Buch öffnete sich ganz von selbst an dieser Stelle. Seine Augen fanden die Widmung. Für Bobbi, die als Erste Salbei in New York roch.
»Leighton Street« hatte er in dem Jahr geschrieben, in
dem er sie kennengelernt hatte, dem Jahr, in dem sie nur über Leighton Street sprechen konnte. Das war natürlich die Straße in Utica, in der sie aufgewachsen war, die Straße, der sie hatte entkommen müssen, bevor sie überhaupt anfangen konnte, das zu sein, was sie sein wollte – eine einfache Verfasserin einfacher Geschichten. Das konnte sie; das konnte sie mit Elan und Leichtigkeit. Das hatte Gard fast sofort erkannt. Später in diesem Jahr hatte er herausgefunden, dass sie noch zu mehr imstande war: Sie konnte die sorglose, verschwenderische Leichtigkeit, mit der sie schrieb, überwinden, und wenn nicht große, so doch tapfere Werke hervorbringen. Aber zuerst hatte sie von der Leighton Street wegkommen müssen. Nicht von der wirklichen, sondern von der Leighton Street, die sie im Kopf mit sich herumtrug, ein dämonisches Gebiet voller spukverseuchter Mietshäuser – ihr kranker, geliebter Vater, ihre schwache, geliebte Mutter, das störrische Weibsstück von einer Schwester,
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