Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
alten Leuten nicht weiter. Niemand gab irgendjemandem etwas freiwillig, seien es Informationen oder Besitztümer, außer wenn etwas für einen selbst dabei heraussprang.
    Tenille wartete bis Mitternacht, dann ging sie los. Schon gestern Nacht hatte sie das Haus von Letitia Brownrigg besuchen wollen, aber dass sie Eddie Fairfield tot in seinem Sessel gefunden hatte, war ihr doch näher gegangen, als sie zugab. Danach konnte sie Mrs. Brownriggs Wohnung nicht mehr unter die Lupe nehmen.
    Die Adresse auf Chestnut Hill war recht leicht zu finden, obwohl sie etwas Zeit brauchte, um herauszukriegen, dass 12A der niedrige Anbau war, der sich links an ein großes Steinhaus mit der Nummer 12 anschloss. Sie versteckte ihr Fahrrad hinter den Büschen am Eingang der Einfahrt und ging leise über den Grasstreifen. In zwei Fenstern des großen Hauses schimmerte Licht, aber sonst lag alles im Dunkeln. Tenille dachte wegen des Lichts auf dem Treppenabsatz, dass es Kinder gab, die vielleicht aufwachen und zur Toilette gehen würden. Sie fragte sich, wie es wohl war, in einem so großen Haus zu wohnen, dass man sich auf dem Weg vom Schlafzimmer zum Bad verlaufen konnte. Sie mochte den Gedanken und überlegte, ob sie vielleicht eines Tages in einem solchen Haus wohnen würde.
    Der Eingang lag an der Seite, eine rustikale Tür aus massiven Holzbohlen mit Eisennägeln, deren quadratische Köpfe vorstanden. Aber der Griff und das Schloss darunter waren modern. Tenille drückte den Türgriff vorsichtig nach unten und dann gegen die Tür, um herauszufinden, ob es außer dem Schloss noch weitere Riegel gab. Zu ihrem Erstaunen ging die Tür auf, und sie fiel fast ins Haus. Es war also tatsächlich wahr, dass die Leute auf dem Land ihre Türen immer noch nicht abschlössen. Das war ja verrückt. Ihr Herz pochte, sie schlüpfte ins Haus und ließ die Tür hinter sich einen Spalt aufstehen.
    Verstohlen schlich sie den Flur entlang auf die erste geschlossene Tür zu. Wieder gab sie sich unendlich viel Mühe, kein Geräusch zu machen, als sie die Tür öffnete. Was sie sah, ließ sie aufstöhnen. Ein Mann stand an einem Sekretär und blätterte im schmalen Lichtstrahl einer Taschenlampe, die er im Mund hielt, in Papieren. Als er Tenilles unterdrückten Ruf »Scheiße« hörte, schrak er zusammen, fuhr herum, und das Licht fiel auf sie. Tenille wich aus dem Zimmer zurück und rannte den Flur entlang, riss die Tür auf und schlug sie hinter sich zu, um sich ein paar kostbare Sekunden Vorsprung zu verschaffen.
    Sie rannte durch die Einfahrt und zog das Fahrrad aus den Büschen auf die Straße, schwang sich darauf und fuhr den Hügel hinunter, so schnell sie in die Pedale treten konnte. Durch das Rauschen des Fahrtwindes horchte sie voller Panik auf das Geräusch eines Autos, das sie verfolgte. Wenn er einen Wagen hatte, müsste sie das Rad stehen lassen und durch die Gärten an der Straße fliehen. Aber sie hatte Glück. Kein Auto kam hinter ihr her. Trotzdem hielt sie nicht an, bis sie schwitzend und erschöpft in Fellhead angekommen war. Sie stellte das Fahrrad ab, rannte zum Schlachthaus und schloss die Tür hinter sich.
    Keuchend lehnte sie sich gegen die Tür und versuchte, sich zu beruhigen. Er hatte sie nicht richtig sehen können, da sie die Baseballmütze tief ins Gesicht gezogen und ihre Jacke so weit zugemacht hatte, dass sie den unteren Teil ihres Gesichts bedeckte. Selbst wenn er sie gesehen hatte, konnte er nicht wissen, wer sie war oder wo sie wohnte. Offensichtlich hatte er kein größeres Recht, dort zu sein, als sie. Er konnte also nicht zu den Bullen gehen und ihnen sagen, er hätte einen jungen schwarzen Einbrecher gesehen. Umso besser, denn wenn die Polizisten am Ort schlau genug waren, würden sie bald zwei und zwei zusammenzählen und auf Tenille Cole und Greshams Farm kommen. Sie war sicher. Sie war wirklich in Sicherheit.
    Aber in Bezug auf Letitia Brownrigg war sie sich nicht so sicher. Wenn jemand anders hinter Janes Manuskript her war, dann spielte sich vielleicht wirklich irgendetwas Merkwürdiges ab, weil alle diese alten Leute gestorben waren. Tenille spürte, wie sich ihr die Brust zuschnürte. Was war, wenn sie dem Mörder gegenübergestanden hatte? Wenn er von dem Manuskript wusste, kannte er vielleicht Jane. Und wenn er Jane kannte, konnte es sein, dass er über Tenille Bescheid wusste. Und wenn er von Tenille wusste, würde er sich vielleicht ausrechnen können, wo sie sich versteckte. Würde er sie wirklich am

Weitere Kostenlose Bücher