Das Moor Des Vergessens
kapiert nicht, dass er das Schlimme ist, was mir passieren könnte.«
Jane fuhr ihr tröstend über den Rücken. »Hat er dich ... belästigt?«
»Er sieht mich so an, weißt du?«
Jane wusste, was sie meinte. »Was noch?« Sie fürchtete sich vor der Antwort.
»Er sagt so Sachen, wenn Sharon nicht im Zimmer ist. Wie sehr er süßes junges Fleisch mag, so 'n bescheuertes Geschwafel. Mann, ich hab doch gewusst, dass er nur die richtige Zeit abwartet, bis sie auf Nachtschicht ist.« »Was ist passiert, Tenille?«
Sie fing an, hektisch am Reißverschluss ihrer Jacke zu ziehen. »Die ersten zwei Nächte war er besoffen und ist auf dem Sofa weggeratzt. Aber gestern hat er auf mich gewartet. Kaum war ich drin, da stand er schon in der Tür und hat sich die Hose aufgemacht.« Sie schauderte. »Hat gesagt, es wäre an der Zeit, dass ich die Liebe kennen lerne.« Sie verzog verächtlich den Mund. »Scheißkerl. Ich wollte wieder raus, aber er war zu schnell. Er hat mich am Arm gepackt, ins Wohnzimmer reingezogen und mich aufs Sofa geschmissen.« Sie schüttelte den Kopf, als wolle sie die Erinnerung daran abschütteln. »Dann hat er sein' Schwanz rausgeholt. Mann, ich hab noch nie im Leben so Angst gehabt. Ich war ganz sicher, dass er mich vergewaltigen würde. Dann hab ich gemerkt, ich sollte ihm einen blasen. Schon bei dem verdammten Gedanken daran wurde mir schlecht. Da hab ich mir die Lampe vom Tisch geschnappt und sie ihm auf den Kopf gehauen.«
Janes Herz zog sich vor Angst und Mitgefühl zusammen. »Du hast das Richtige getan, Tenille.« »Ich hab ihn nicht fest genug getroffen. Ich hätte ihn einfach umbringen sollen. Aber er war bloß betäubt. Da bin ich aufgesprungen und in mein Zimmer gerannt. Ich hab die Kommode und das Bett vor die Tür geschoben, damit er nicht reinkonnte. Ich hab gezittert, Mann, total gezittert. Gleich drauf hämmerte er an die Tür und brüllte wie 'n verdammter Stier. Jane, ich hab nicht gewusst, was ich machen soll. Er war wie ein Geisteskranker. Die Tür hat gewackelt. Ich hab gedacht, er würde sie eintreten.« Sie lachte unsicher. »Dann kam meine Rettung.« »Was ist passiert?«
»Du kennst doch das Arschloch, das neben uns wohnt? So 'n großer schmieriger Bikertyp?«
Jane nickte. »Ich hab ihn schon mal gesehen. Ein hässlicher Kerl, oder?« »Hässlich und böse. Er war an der Wohnungstür und hat Geno gesagt, er sollte nicht so 'n Krach machen, sonst würd er die Scheißtür eintreten und Geno seine dreckige Leber aus dem Leib reißen. Und plötzlich war alles still. Das Letzte, was ich von Geno vor meiner Tür gehört hab, war: ›Du kannst ja nicht ewig da drinbleiben, du Miststück.‹ Ich hab mir fast in die Hose gemacht. Ich sag dir, ich hab die ganze Nacht kein Auge zugetan. Hab gewartet, bis Sharon nach Haus kam, dann nix wie raus und hier runter. Mann, ich hab vielleicht gebetet, dass du daheim bist.« »Das hast du richtig gemacht, Tenille.« Jane sammelte ihre wirren Gedanken. Sie würde etwas unternehmen müssen. Tenille durfte Sharons krankem Bastard von Freund nicht ausgeliefert sein. »Du kannst erst mal hier bleiben«, sagte sie. »Ich muss zwei Wochen wegfahren, aber ich werde eine Lösung finden, bevor ich fahre.«
Tenille sah sie ungläubig an. »Du? Was willst'n machen? Geno wird nicht auf dich hören. Es bringt nix, es Sharon zu sagen, sie wird es nur so hindrehen, dass ich dran schuld sein soll, wie immer.«
Jane stand auf. Tenille wusste vielleicht in praktischen Dingen besser, wo's langgeht, aber Jane wusste etwas, was dem Mädchen unbekannt war. Vielleicht war es ja nur Klatsch, der in der Siedlung umging, aber sie hatte das Gefühl, dass es mehr war. Und wenn sie Recht hatte, würde sie die Möglichkeit haben, zu bewirken, dass Geno schneller abhaute als ein wild gewordener Stier. Jane straffte die Schultern und versuchte, wie jemand auszusehen, der die Sache professionell in die Hand nehmen würde. »Glaub mir, Tenille. Ich bring das in Ordnung.«
Jake streifte seine Sandalen ab und ließ den kühlen Marmorboden auf sich wirken. Ihm war zu heiß, was verrückt war, wenn man bedachte, für welche niedrigen Temperaturen die Klimaanlage am Flugplatz von Chania verantwortlich war. Er vermutete, dass die Einrichtung in Dunkelblau, Grau und Weiß beruhigend wirken sollte, aber das half ihm auch nicht, sich weniger unbehaglich zu fühlen. Merkwürdig, dass er sich gerade am Tag vorher seinen Träumen von der Rückkehr nach Hause hingegeben hatte. Aber
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