Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.
bog. Er brauchte nicht zweimal hinzusehen, um zu wissen, daß es dasselbe allgegenwärtige Taxi war, das ihn seit Tagen verfolgte.
Whit Skinner wußte, daß der Augenblick der Wahrheit gekommen war. Er hob die Hand. Das Taxi machte einen scharfen Schwenk und kam vor ihm zum Stehen wie ein eifriger junger Hund.
»He, hören Sie mal zu«, sagte er zu dem Fahrer.
»Steigen Sie ein«, war die Antwort.
»Aber ich will mit Ihnen reden.«
»Ich red nur, wenn der Zähler läuft.«
Whit zog eine Grimasse, öffnete die Tür und stieg ein. Das Auto schoß in östlicher Richtung davon und fuhr immer weiter. Er warf einen Blick auf das in Plastik eingeschweißte Namensschild und las: VINCENT G. FUNDELLO, 988597. Im Rückspiegel konnte er Fundel- los grobgeschnittenes, dunkeläugiges, blauwangiges, südländisches Gesicht sehen.
»Jetzt hören Sie mal zu«, sagte Whit streng. »Damit hier Klarheit herrscht – ich weiß ganz genau, daß Sie mir gefolgt sind. Und ich möchte wissen, warum.«
»Gleich, Mister, gleich«, sagte der Fahrer heiser.
Inzwischen waren sie schon ein gutes Stück über die 54. Straße hinaus, und Whit begriff, daß er nicht nach Hause gefahren wurde. Seine scharfen Einwände blieben unbeantwortet. Panikartig kam ihm der Gedanke an Entführung. Schließlich und endlich hatte er ein gutes Einkommen und, da er unverheiratet war, ganz respektable Rücklagen. Jedesmal, wenn sie sich einer Verkehrsampel näherten, hoffte er auf Rot, aber Fundello schaffte es mit Geschick, vorher durchzukommen.
Schließlich mußte er doch auf der 85. Straße anhalten, und Whit stürzte sich auf den Türgriff. Fundello fuhr herum und ließ mit einem gewaltigen Fluch seine Hand auf den Verriegelungsknopf fallen. Dann sprang die Ampel um, und er fuhr an.
Whit lehnte sich mit einem Seufzer in die Polster zurück.
»Bitte, würden Sie mir endlich sagen, was das alles soll?«
»Wenn wir an der 100. Straße vorbei sind«, sagte der Taxifahrer grimmig. »Wenn Sie keinen Ärger mehr machen, dann sag ich’s Ihnen.«
Whit wartete. Als sie die 100. Straße überquerten, erinnerte er den Fahrer an sein Versprechen, und Fundello sagte: »Okay. Ich weiß, es ist ziemlich beschissen von mir, Ihnen so durch die ganze Stadt nachzufahrn. Aber wenn Sie hörn warum, halten Sie mich vielleicht nich für son schlechten Kerl. Es ist von wegen meiner Schwester.«
»Ihrer Schwester?«
»Ja, Carla. Sehn Sie, meine Schwester Carla, die is vor ungefähr acht Monaten von Sizilien rübergekommen, ’n wirklich schönes Mädchen, wie Hedy Lamarr im Gesicht und wie Marilyn Monroe überall sonst. Nu würde man doch denken, son nettes, hübsches Mädchen, das wär auch glücklich, nich? Und das war Carla zuerst auch, sogar als sie in dieser lausigen Knopffabrik in der Seventh Avenue arbeitete. Weil, Carla is schön, aber sie war nie aufm College und kann kein Englisch, und da mußte sie ihren Lebensunterhalt eben in der Fabrik verdien. Aber wennen Mädchen so schön is, da kommt sicher irgend’n Typ daher und schnappt sie sich, da könn Sie Gift drauf nehm. Ja, das passierte dann auch.
Carla heiratete also diesen wirklich netten Typ, diesen Tony, und ein netteres Paar ham Sie in Ihrem ganzen Leben nich gesehn. Könn Sie mir folgen? Also jedenfalls heiraten die beiden, und ein paar Wochen lang is alles in Butter. Carla is glücklich, Tony is glücklich, ich bin glücklich. Aber dann passiert diese schreckliche Sache. Was der Tony is, der knallt doch mit seim Auto gegen son Brückengeländer und weg isser. Auto, Tony – in hohem Bogen.
Sie fischen ihn aussem Fluß, und er is so tot, toter geht’s nich. Und was meinen Sie passiert jetzt mit Carla? Als die das hört, Mister, da flippt die doch völlig aus. Sie ißt nicht mehr, redet nich, tut nichts mehr von dem, wassen nettes, hübsches Mädchen so tut. Sie sitzt einfach Tag und Nacht da inner Wohnung, die sie und Tony in der Bronx gemietet ham, und wartet drauf, daß er nach Hause kommt. Bloß daß der natürlich nich nach Hause kommt, weil, wenn Sie sich annen ersten Teil der Geschichte erinnern, dann wern Sie noch wissen, daß dieser Tony tot is. Aber Carla glaubt das einfach nich, auch wenn wir ihr das tausendmal er- zähln. Sie sitzt einfach so da, weint nich oder so, sitzt bloß da und wartet und sieht die Tür an. Weil sie nämlich denkt, der Tony kommt eines Abends durch diese Tür reinspaziert, genau das denkt sie, die dumme Nuß.«
Vincent Fundello
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