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Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.

Titel: Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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Gegenstand des Streits gewe­sen. Huey empfand eine deutliche Abneigung gegen Eri- kas Vormund, und es lag auf der Hand, woher er sein Vorurteil hatte. Sein Vater, Howard Brockton, war Onkel Bells Geschäftspartner und Hauptgegner, und ihre anhal­tende Fehde lieferte Point Placid seit drei Jahren einen interessanten Gesprächsstoff.
    Wusch! Das Kabriolett fegte an einer Reihe junger Chausseebäume vorbei, die sich in seinem Fahrtwind neig­ten. In einiger Entfernung kreuzte ein Lastwagen den Highway bei der Abzweigung nach Edalia, und widerstre­bend verlangsamte sie ihre Fahrt. Doch hatte sie sich in­zwischen etwas abreagiert. Sie dachte an das bevorstehen­de Mittagessen in der Stadt mit Onkel Bell. Er hatte ihr versprochen, mit ihr in den exklusiven und nur für männli­che Mitglieder gedachten Iron Club zu gehen, und sie freute sich darauf. Als sie die einsame, irgendwie mitleid­erregende Gestalt des jungen Mannes mit dem ausge­streckten Daumen erblickte, war sie fast schon freundli­cher Stimmung. Aus diesem Grunde hielt sie an und igno­rierte damit ein weiteres Edikt Onkel Bells: Nimm niemals einen Anhalter mit.
    »Fahren Sie in die Stadt?«
    Er hinkte, als er auf sie zukam und mit staubverkruste­tem Gesicht ein Lächeln versuchte. Er trug einen ausgebli­chenen blauen Overall.
    »Ja«, sagte sie. Dann setzte sie in einem plötzlichen An­fall von Mißtrauen hinzu: »Was machen Sie eigentlich hier so weit draußen?«
    »Autopanne«, sagte er grinsend und öffnete die Wagen­tür.
    Er setzte sich neben sie auf den Beifahrersitz, und Erika taxierte ihn rasch, ehe sie losfuhr. Er war ein gutaussehen­der junger Mann mit einem schiefen Lächeln, das keinerlei Unsicherheit verriet, und er hatte die gesunde braune Far­be eines Mannes, der im Freien arbeitet.
    »Muß ganz schön heiß auf Ihrem Spaziergang gewesen sein«, sagte sie fröhlich. »Wir können an der Tankstelle halten, damit sich jemand um Ihr Auto kümmert, und Sie können da etwas trinken.«
    »Das Auto interessiert mich nicht«, sagte er lachend.
    »Wie bitte?«
    »Ich geb die alte Karre auf. Soll’n die Krähen sie fres­sen, ich will den alten Schrotthaufen nie wiedersehen.«
    Erika lachte ebenfalls. »Ich habe da im Handschuhfach ein paar saure Drops, vielleicht löschen die Ihren ersten Durst.«
    »Danke«, sagte er und drückte auf den Knopf des Hand­schuhfaches. »Ich dachte schon, ich müßte den ganzen Weg bis zur Stadt zu Fuß gehen. Ich hab gerade in Delmar meinen Job aufgegeben und dachte, ich versuch’s mal in Point Placid. Vielleicht finde ich da was Besseres.«
    »Farmer?«
    »Nicht mehr!« sagte er leidenschaftlich. »Von jetzt an nie mehr.« Er schraubte den Deckel von dem Bonbonglas ab und hielt es ihr hin. »Möchten Sie einen?«
    Sie wollte gerade nein sagen, als sie plötzlich die scharfe Spitze von etwas Metallenem zwischen ihren Rippen spür­te. Sie wurde steif und hätte fast das Lenkrad losgelassen.
    »Ganz ruhig«, sagte der junge Mann. »Sehr scharf ist es nicht, aber es kann Ihnen wehtun. Fahren Sie einfach rechts ran und bleiben Sie ruhig, dann passiert Ihnen nichts.«
    »Was soll das?« fragte sie wütend.
    »Anhalten habe ich gesagt, Miss. Ich möchte Ihnen nicht gern wehtun, Sie sind sehr nett gewesen.« Er verstärkte den Druck seines Arguments, und Erika, Tränen der Wut in den Augen, bremste und brachte das Kabriolett zum Stehen. Als sie standen, blickte sie hinab und sah, daß sei­ne Waffe aus einem kleinen Schraubenzieher bestand, den er aus dem Handschuhfach genommen hatte.
    Sie sagte: »Das ist eine reizende Art, sich für einen Ge­fallen zu bedanken.«
    »Steigen Sie aus, Miss.«
    »Das werde ich nicht tun.«
    »Dann werde ich Sie wahrscheinlich töten.«
    Sie sah ihn an, und er schien so gelassen wie immer zu sein. Da bekam sie es mit der Angst zu tun; diese Gelas­senheit erschreckte sie, und sie fand plötzlich, daß es au­ßerhalb des Autos sicherer sei. Sie stieg aus und wartete auf seinen nächsten Befehl.
    »Werfen Sie ihre Handtasche herüber.«
    Sie warf sie ins Auto. »Sie werden nicht viel darin fin­den«, sagte sie verächtlich.
    Er rutschte auf den Fahrersitz, legte die Tasche neben sich, löste die Handbremse und gab Gas. Das Kabriolett schoß davon.
    »Du ... Miststück!« rief Erika ihm nach. Dann fing sie an zu weinen. Bald jedoch gewann ein gesundes Gefühl der Entrüstung die Oberhand. Sie hörte auf zu weinen und versuchte nachzudenken. Bis Point Placid waren es noch fast

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