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Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.

Titel: Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
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sagte Erika. »Um mit meinem Onkel Bell zusammen essen zu gehen. Bevor Sie Ihr Debüt als Bandit gaben.« Sie lä­chelte. »Das, so fürchte ich, ist ein Beruf, in dem Sie kei­nen Erfolg haben werden.«
    »Ich sehe schon, was Sie meinen.« Johnny griente. »Al­lerdings, wenn ich gewußt hätte, daß Sie eine Erbin sind, dann wäre ich vielleicht härter gewesen. Ich wette, Sie tragen eine Million Dollar in Ihrer Handtasche mit sich rum.«
    »Schön wär’s. Ich habe genau dreißig Dollar.«
    »Na, das sind immerhin dreißig Dollar mehr, als ich ha­be. Als ich aus Delmar wegging, habe ich nicht mal auf den mir noch zustehenden Lohn gewartet. Ich besitze nicht einmal einen anständigen Anzug.«
    Erika sah ihn von der Seite an und tat dann etwas sehr Impulsives. Sie nahm ihre Handtasche und ließ sie auf seinen Schoß fallen.
    »Machen Sie sie auf«, sagte sie. »Nehmen Sie das Geld.«
    »Nein«, entgegnete Johnny mit Entschiedenheit. »Ich wollte nicht, daß Sie das so auffassen. Wenn ich Ihren Kies haben wollte, hätte ich ihn stehlen können.«
    »Ich möchte, daß Sie es nehmen«, sagte Erika. »Sie brauchen einen Anzug, wenn Sie auf Stellensuche gehen.«
    »Ich wüßte nicht einmal, wo ich anfangen sollte zu su­chen.«
    Erika zögerte.
    »Einen Ort wüßte ich«, sagte sie dann. »Da habe ich beim Boss einen Stein im Brett. Ich weiß zwar nicht, was für ein Job es sein könnte, vielleicht die Fußböden sau­bermachen. Aber ich könnte ein gutes Wort für Sie einle­gen.«
    Vor ihnen ragte der in der Sonne glänzende Hoch­hausturm des Point Placid Hotels empor, umgeben von niedrigeren Fabrik- und Bürogebäuden. Auf deren Skyline starrte Johnny eine ganze Weile, ehe er antwortete.
    »Sie meinen Ihren Onkel?« sagte er. »Das würden Sie für mich tun?«
    »Normalerweise ist er beim Essen ganz umgänglich«, sagte sie leichthin, »und fragen kostet ja nichts. Los, neh­men Sie schon das Geld. Kaufen Sie sich einen grauen Anzug, grau ist Onkel Bells Lieblingsfarbe. Ich werde ihm sagen, daß Sie ihn um drei Uhr in seinem Büro aufsuchen werden. Er erwartet Sie dann.«
    »Das ist völlig verrückt. Sie schulden mir doch nichts.«
    »Nein, aber Sie schulden mir gleich dreißig Dollar. Wenn Sie erst arbeiten, möchte ich sie wiederhaben.« Sie lachte. »Die Adresse ist Main Street 300. Und Sie sollten lieber pünktlich sein, Onkel Bell legt auf Pünktlichkeit den allergrößten Wert. Und noch auf ein paar andere Sachen.«
    Johnny Brennan sah die Handtasche an und runzelte die Stirn. Dann machte er sie auf.
    Die Maschinenfabrik Lacy lag am Ende der Main Street. Ein hoher Drahtzaun und eine Reihe kämpferisch ausse­hender uniformierter Männer markierten ihre Grenzen. Die Fabrikanlage selbst erinnerte an ein Dominospiel, so wie sich das halbe Dutzend einstöckiger Gebäude, in rech­ten Winkeln gegeneinander gesetzt, vor den Augen des Betrachters ausbreitete. Als Johnny sich in einem schlechtsitzenden Anzug, der ihn zwanzig Dollar von Eri- kas Geld gekostet hatte, dem Haupteingang näherte und dabei durch den Maschendraht auf den unregelmäßig wu­chernden Fabrikkomplex blickte, kam er zu der Überzeu­gung, daß Onkel Bell es in der Tat geschafft hatte.
    Der Weg vorbei an den Pförtnern, Empfangsdamen und Sekretärinnen war ein rechtes Spießrutenlaufen, aber schließlich stand er vor der Mahagonitür zu Beldon Lacys Büro. Er klopfte, und eine barsche Stimme gebot ihm, ein­zutreten.
    Er hatte irgend etwas Luxuriöses erwartet, entdeckte aber nur große Ausmaße und Unordnung. Es gab zwei große Schreibtische, von denen einer als Ablage für Papie­re und Schutt diente. Der andere, der dem Fenster gegenü­berstand, war beinahe genauso unordentlich. Hinter ihm befand sich ein Drehstuhl mit hoher Rückenlehne, und das Haupt, das auf seinem Lederpolster ruhte, war von bemer­kenswerter Grimmigkeit. Es zeigte das Gesicht eines Kriegers, und der Eindruck schwand auch nicht, als Bell Lacy aufstand und die übliche gestreifte Krawatte und den eintönigen grauen Anzug des Geschäftsmannes sehen ließ. Unter einer hohen Stirn hingen schwere Augenbrauen über dunklen Augenhöhlen, eine große Nase fand ihre Entspre­chung in einem vorspringenden Kinn. Beide Wangen wie­sen kleine Narben auf. Es fiel Johnny schwer, Erika Lacys entzückenden Mund und ihre strahlenden Augen mit den Gesichtszügen ihres Onkels in Verbindung zu bringen.
    »Mein Name ist Johnny Brennan«, sagte er schüchtern. »Ich sollte mich hier

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